23.01.2006

Protokoll Europarat
Sitzungsperiode 2006
(1. Teil)
Bericht
01. Sitzung
Montag, 23. Januar 2006
15.00 Uhr

Wir sollten die UNO mit unserer Reformbereitschaft anstecken

Andreas Gross, Schweiz, Soc

Danke, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren,

Ich glaube, der Bericht zeigt; dass der Europarat schnell Fortschritte macht; bei der UNO habe ich manchmal den Eindruck, dass es nur im Schneckentempo vorangeht. Hier im Europarat aber hat man noch vor drei Jahren die Idee; das Amendment, an die UNO-Vollversammlung eine parlamentarische Versammlung, als eine Art zweite Kammer anzuhängen, als zu utopisch abgelehnt. Und dies von einem Freund, der sonst Utopien gegenüber offen ist. Und dies zeigt den Unterschied zwischen Utopie und Illusion: Frau Zulueta hat sich dafür eingesetzt und heute einen Bericht vorgelegt, der genau dies intellektuell realisiert und unterstützt. Die Meinungen von Herrn Geveaux und Herrn Ostergaard wurden vor drei Jahren noch als unmöglich betrachtet - dies zeigt deutlich, dass sich hier bei uns etwas bewegt, und wir sollten die UNO mit unserer Reformbereitschaft anstecken.

Es ist weiterhin erfreulich, dass Frau Zulueta den Unterschied zwischen uns und der IPU hervorhebt. Die IPU ist so etwas wie die Parlamentarische Versammlung der OSZE; einmal im Jahr für wenige Tage. Beim Europarat hingegen ist die Parlamentarische Versammlung ein integraler Bestandteil der gesamten Organisation. Minister sind gezwungen zu kooperieren, Antworten auf unsere Vorschläge zu geben und auf uns einzugehen. Und das ist natürlich viel mehr als die IPU, und die Parlamentarische Versammlung der OSZE heute leisten.

Deshalb finde ich ganz wichtig, Herr Botschafter, dass Sie sich vielleicht auch zum Anwalt dieser Sache in New York machen. Denn Sie kennen uns, und Sie kennen auch die Stärke des Parlamentes. Und ich komme noch darauf zurück, denn es ist ganz wichtig, dass nicht nur die Regierungen sich globalisieren, nicht nur die Exekutive. Sonst wird die Distanz zwischen Legitimität und Macht viel zu gross. Wir müssen auch die Demokratie mitnehmen auf dem Weg der transnationalen Ebene. Wir müssen die Demokratie globalisieren, und das geht nicht ohne Parlamentarier, nur mit ihnen. Denn, und das muss ich Ihnen ganz offen sagen, Sie haben uns gelobt, wir würden das, was Sie in New York machen, nach Hause tragen. Sicher machen wir das. Aber wir möchten auch etwas nach New York tragen. Wir möchten auch, dass Sie uns in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Denn der Kollege Advic aus Bosnien-Herzegowina hat Ihnen gezeigt, wo die UNO auch versagt hat. Und eines der grossen Privilegien von zu viel Macht ist, dass man nicht mehr lernt. Und wenn man die Macht schöner verteilt, sie mit den Parlamentariern teilt, dann hat auch die UNO, bzw. haben gewisse grosse Staaten, die wiederum in der UNO zu fest dominieren, die Chance, auch rechtzeitig zu lernen. Deshalb ist es so wichtig, dass man das ernst nimmt. Manchmal machen wir vielleicht einen schlechten Eindruck, ganz sicher sind wir aber schwierig für die Regierungen. Es ist nicht so einfach, mit Widerstand, mit Widerspruch zu regieren. Das ist intellektuell eine ganz andere Anforderung. Aber ich denke, es ist im Interesse von uns allen, dass wir das tun, und dass wir diese Gedanken, diese Dimension auch in die UNO tragen. Wir können nicht die Statuten ändern mit 191 Staaten, das ist unmöglich. Aber wenn Sie das, was möglich ist an Verbindung, an Integration unseres Gedankens im Rahmen der geltenden Statuten, wenn Sie das als Generalversammlungsvorsitzender möglich machen, dann wäre dies meiner Ansicht nach eine enorme Leistung. Die grösste Kraft, die die Parlamentarier der UNO geben könnten, wäre Legitimität. Und sie brauchen Legitimität, wenn die UNO nicht unter die Kontrolle der grössten und stärksten Macht kommen soll. Gegenüber der Macht, der Grösse und der Stärke brauchen wir die Macht der Legitimität. Denn auch der grösste Staat der Welt muss lernen, dass er sich einem Weltrecht unterziehen muss, an dem er zwar mitgewirkt hat, aber das er nicht alleine gestalten kann. Und das ist es, was die Menschen in Europa spüren, einen Widerspruch, dass die UNO oft sich nicht traut, dem Grossen auch zu zeigen, dass er sich an einen Rahmen halten muss. Gerade gegenüber dem Terror geht es nicht ohne den Respekt der Menschenrechte. Das ist die grosse Frage, die uns heute umtreibt. Und in diese Diskussion gehören Parlamentarier. Denn die Regierungen allein gehen miteinander viel zu höflich um. Wir sprechen das an, was die Regierungen manchmal nicht hören möchten, was langfristig aber in unserer aller Interesse wäre.

Vielen Dank.


Andreas Gross



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