31. Aug. 2018

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Belprahon und Sorvilier:
JU oder BE?



Die kommunale demokratische Feinarbeit zur Bewältigung des Jura-Konfliktes ist noch nicht zu Ende: In zehn Tagen stimmen mit Bel­pra­hon und Sorvilier die zwei kleinen Nachbar-Gemeinden von Mou­tier ab, ob sie sich mit Moutier dem Kanton Jura anschliessen oder im Kanton Bern verweilen möchten.

Von Andreas Gross

202 Jahre nach dem das Unrecht geschah, nähern wir uns seiner Be­wäl­ti­gung: Vor 202 Jahren beschlossen die europäischen Grossmächte am Wiener Kongress, die damals zu Frankreich gehörenden sechs Jura-Be­zirke zwischen Pruntrut und dem Bielersee dem Kanton Bern zu ver­ma­chen. Selbstverständlich ohne einen einzigen Jurassier nach seiner Mei­nung zu fragen. Damit schuf Europa den Jura-Konflikt, der vor allem zwischen 1945 und 1975 in der ganzen Region zu enormen Auseinan­der­setzungen, ja zu gewaltsamen Eruptionen und Spannungen führte.

1970 entschied sich der Kanton Bern 1970 im Einvernehmen mit dem Bundesrat zu einer kommunalistischen Form der Bewältigung des Jura-Konflikts. Das heisst, es wurde erst in den Bezirken und dann in den Ge­meinden eine Kaskade von Jura-Plebisziten organisiert, die bis heute je­der einzelnen Gemeinde erlaubten, über ihre Zugehörigkeit zum neuen Kanton Jura oder über ihren Verbleib im alten, kleiner gewordenen Kan­ton Bern zu entscheiden. Das führte zwischen 1974 und 2017 zu nicht weniger als über 20 Volksabstimmungen auf allen Ebenen; mussten dreimal doch auch auf eidgenössischer Ebene die Schaffung des neuen Kantons Jura (1978), die Zugehörigkeit des Laufentals zum Kanton Ba­selland (1993) und 1996 gar den Einzug der kleinen Gemeinde Vellerat in den Kanton Jura gesamtschweizerisch per Volksabstimmung abgesegnet werden.

Am 18. Juni dieses Jahres fand in Moutier die letzte dieser kommunalen Kaskaden statt. Bei einer fast 90 prozentigen Stimmbeteiligung beschloss eine Mehrheit von 52 Prozent der Münsterianer, den Kanton Bern zu ver­lassen und die zweitgrösste Stadt des Kanton Juras zu werden (siehe Endlich daheim in der WW vom 22.6.2017). Doch dieser zeitlich letzte wichtige Entscheid, gegen den zwölf freilich nicht sehr aussichtsreiche Einsprachen immer noch hängig sind, war noch nicht die letzte kom­mu­na­le Volksabstimmung dieses 50 Jahre langen Prozess der Krisen­be­wäl­ti­gung. Die zwei Nachbarsgemeinden von Moutier, das bloss zwei Kilo­me­ter ostnordöstlich gelegene Belprahon (deutsch Tiefenbach) und das südwestlich von Moutier gelegene Sorvilier haben sich ausbedungen, nach dem Entscheid von Moutier ihrerseits noch über die eigene Kan­tons­zu­gehörigkeit abstimmen zu dürfen. Diese beiden kommunalen Ab­stimmungen, Nummer 24 und 25 seit 1974, finden nun in zehn Tagen statt.

Dabei sind die Ausgangslagen ähnlich, aber nicht ganz gleich. Das ganz nahe bei Moutier am Sonnenhang des Mont Raimeux liegende Belprahon ist nur vier Quadratkilometer gross und bietet 308 Einwohnern ein zu Hau­se, die fast alle in Moutier arbeiten. Die Grundsatz-abstimmung vom November 2013, als sich Moutier für einen neuen grossen Kanton Jura aussprach, ergab in Belprahon ein Patt (110 Ja gegen 110 Nein). So ha­ben sie für die definitive Wahl der Kantonszugehörigkeit bewusst die Ent­scheidung von Moutier abwarten wollen und werden dem regionalen Zentrum wohl nun in den Jura folgen.

In Sorvilier (deutsch Surbelen), deren etwas über 200 Stimmberechtigte zwar zu zwei Dritteln SP (36,4 %) und SVP (23,5 %) wählen, war es die autonomistische Mehrheit des Gemeinderats, die unabhängig vom Schick­sal Moutiers eine Extraabstimmung verlangte. Zwei Gründe spre­chen hier eher für eine probernische Mehrheit. Einerseits, weil aus den bisherigen Abstimmungen in den 1970er Jahren und 2013 nie eine ju­ras­sische Mehrheit resultierte. Anderseits weil im Falle eines Ja zum Jura Sorvilier eine Enklave im Kanton Bern werden würde ohne direkten Zu­gang zum Kanton Jura. Das ist zwar nicht ganz ungewöhnlich in der Re­gion, dürfte aber wohl in der etwas heisseren Abstimmungskampagne als in Belprahon bei einer knappen Mehrheit in Sorvilier zugunsten Berns ins Gewicht fallen.


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