12. Feb. 2016
Courrier
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Verbunden in der Suche nach gesellschaftlichen Alternativen, in Pazifismus und Überwindung des Kapitalismus
Laura Drompt für den Courrier (Genf)
Vous-mêmes avez eu un rôle capital pour cette formation. Pouvez-vous expliquer en quelques mots comment s'est passée votre arrivée? Quelle était la nature de la relation entre la JUSO et le PS à l'époque ?
Ich bin anfangs 1974 als Werkstudent (Geschichte) gleichzeitig der Zürcher SP und den Zürcher Juso beigetreten. In die SP gingen wir, weil wir uns mit der wirklichen Welt auseinandersetzen wollten und nicht unter uns Intellektuellen bleiben wollten. In die Juso gingen wir gleichzeitig, um in einer viel reflektierenden, originelleren und auch persönlich lustvolleren Art des politischen Engagements die Schwierigkeiten und Frustrationen in und mit der SP verarbeiten, kompensieren und überwinden zu können.
Pour vous, quel est le but de la JUSO? Un groupe qui rappelle parfois certaines valeurs au PS? Une épine dans le pied du «grand frère»? Un organe totalement indépendant? Un réservoir à futurs élus de gauche?
Hauptziel der Juso in der zweiten Hälfte der 1970er und anfangs der 1980er Jahre (ich war ab 1977 im nationalen Vorstand und von 1979 bis 1983 Juso-Schweiz-Präsident) Jugendliche zu einem kritischen politischen Denken und Engagement zu motivieren. Wir wollten die Fragen und Probleme aufnehmen, die uns am meisten bedrücken und belasten und so politisieren, dass es auch Freude macht und Lust. Die SP war die uns nahestehende Partei, doch wir betonten unsere Autonomie, liessen uns von niemandem dreinreden, wurden auch nicht bezahlt von der SP wie heute, und die sozialdemokratische Politik, beziehungsweise deren Beeinflussung war nie unser primäres oder auch nicht unser sekundäres Anliegen. Wir wollten uns nie die schwerfälligen Strukturen der SP geben, empfanden uns deshalb auch nicht als Jung-Partei, sondern viel mehr als sozialistische, radikaldemokratische Jugendbewegung, welche Aktion, Diskussion und Reflexion lustvoll miteinander zu verbinden wusste. Ob einer gleichzeitig auch in der SP war oder mal in der SP was werden wollte, war uns egal.
Confirmeriez-vous que la création du GSsA a fait partie des grandes étapes pour la JUSO?
Selbstverständlich war dies ein Meilenstein. Weniger die Gründung der GSoA, sondern dass wir überhaupt den Mut zur Idee fanden – beides bedarf ausserordentlicher Umstände und Gemeinsamkeiten – und auch die Klugheit, dafür eine Volksinitiative zu entwickeln, die dann aber von einer eigenen Organisation, nicht von den Juso, getragen werden sollte. Denn die Juso wären damit überfordert gewesen, sowohl personell als auch politisch. Denn es gab durchaus Juso, die der GSoA-Idee skeptisch gegenüberstanden und die wollten wir nicht unter Druck setzen. Gleichzeitig ging die GSoA aber auch alle an, nicht nur Linke, Junge oder Sozialisten.
Pensez-vous que des victoires, comme celle de l'antimilitarisme à la fin des années 1980, soient encore possibles aujourd'hui? Pour un parti de jeunes?
Zuerst einmal, wir waren damals mehrheitlich Pazifisten und nicht nur Antimilitaristen! Zweitens war es ja kein mathematischer Sieg, sondern die erfolgreichste Niederlage in der Geschichte der schweizerischen Demokratie. Das heisst, wir haben das Denken und das Fühlen vieler zur Armee verändert durch eine zehnjahrelange enorme, kluge und originelle kommunikative Arbeit. Solche Veränderungen kann man immer noch bewirken, wenn man sich derart anstrengt und auf so breiter Ebene so lange durchhält. Doch es klappt nicht immer und nicht bei allen Dingen, in denen es nötig wäre.
La 1:12 a suscité énormément de débats. Mais elle a tout de même été refusée ... En plus clair: quel est le rôle aujourd'hui de la JUSO? Changer les choses? Rappeler de ce à quoi la société pourrait ressembler, mais sans trop d'espoir d'y arriver?
Was die Juso heute sollen, das müssen die betreffenden Jugendlichen sagen und nicht ihr Grossvater. Ich würde nach wie vor primär Fragen aufgreifen, welche die Jugendlichen beschäftigen und es so tun, dass die Jugendlichen begeistert sind. Das kann man, in dem man offen denkt, über den Horizont hinausgeht, konkrete Utopien umsetzt und nicht meint, man könnte Abstimmungen gleich mathematisch gewinnen. Die 1:12-Initiative war ein wichtiger Anstoss, um die immer grösser werdenden Unterschiede zwischen Löhnen und Kapitalrendite deutlicher zu machen; sie war wichtig und richtig, auch wenn das Abstimmungsergebnis hätte besser sein können. Freilich darf man nicht zu leichtfertig, zu schnell und sogar rituell Volksinitiativen machen; sonst verlieren sie ihre Kraft, man verschleudert Energien und ist sich nicht mehr bewusst, dass eine Volksinitiative eine sehr intensive fünfjährige Basisarbeit mit Hunderttausenden von Menschen bedeutet.
Qu'est-ce qui a changé, à vos yeux, entre votre arrivée à la JUSO et aujourd'hui? Vaste question, je le sais bien, mais quelques points qui vous viennent en particulier à l'esprit?
Im empfinde heute die Juso viel mehr als Jungpartei als wir dies waren; sie scheinen fast wie die SP zu funktionieren und sie widmen der SP einen grossen Teil ihrer Arbeitskraft. Doch sie sind auch viel grösser als wir, mit Statements in der veröffentlichten Öffentlichkeit viel präsenter. Es scheint, dass die Mitglieder der Jusos dies auch so wollen und so ist es auch nicht an mir, das zu kritisieren. Dass sie heute die stärkste politische Jugendorganisation sind, spricht für sich und ich bin froh, dass die SVP dies nicht von sich behaupten kann!
J'ai parlé longuement avec Fabian Molina, qui m'a parlé du «clash» entre vous et la JUSO. Je ne pensais pas spécialement m'attarder dessus, mais je ne sais pas si cela vous inspire un commentaire? Comprenez-vous la démarche de la JUSO qui vous avait demandé de vous retirer?
Ich würde nicht von einem Clash reden. Ich fand die Kritik unqualifiziert, Molina hat nie vorher oder nachher mit mir gesprochen. Die Kritik bezog sich rein auf die Quantität (Länge im Amt) und verband diese Kritik nie, nicht ein einziges Mal, mit einem inhaltlichen Aspekt. Der Angriff der Juso kam innerhalb der Zürcher SP auch sehr schlecht an, hat mir dann eher geholfen, wieder nominiert zu werden. Und die Ironie liegt nun darin, dass mein Nachfolger gleich alt ist, aber politisch viel weiter weg ist von den Juso als ich es je war. Als Kenner der Geschichte der Juso und der SP wusste ich aber, dass Kritik der Juso an älteren Nationalräten so normal ist wie das Amen in der Kirche; nur war sie früher inhaltlich begründet, bezog sich auf Qualitäten und nicht bloss auf die Quantität.
Vous sentez-vous malgré tout proche, dans les idées, de cette jeunesse qui rêve, cela dit, d'un monde pacifié et anticapitaliste? Est-ce d'ailleurs comme cela que vous les verriez?
Inhaltlich fühle ich mich den Juso immer wieder sehr verbunden, vor allem wenn sie gesellschaftliche Alternativen suchen, pazifistisch argumentieren und den Kapitalismus überwinden möchten. Fremd ist mir manchmal ihre Aggressivität, die Personalisierung, die Brutalisierung ihrer Aktions- und Diskursversuche; da lassen sie sich manchmal zu sehr arenisieren. Für mich war und ist immer die Einheit von Form und Inhalt wichtig - oder mit Gandhi gesprochen: Der Weg ist das Ziel, die Güte des Ziels muss in Form und Gestalt des Weges zum Ausdruck kommen, man kann nicht in brutaler Art eine menschlichere, zivilisiertere Gesellschaft anstreben.
Kontakt mit Andreas Gross
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