19. März 2016

BaZ-Kolumne zu den US-Vorwahlen 2016

8. Teil

Ein dritter Kandidat wird Trump wohl verhindern


Der vergangene Dienstag brachte bei den Demokraten wie auch bei den Republikanern die erwarteten Vorentscheidungen im Kampf um die Nomination der Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahlen vom kommenden November. Doch, beziehungsweise gerade deswegen, zeichnet sich für die kom­menden Woche eine grosse Überraschung ab: Die Kandidatur einer dritten Person, wohl eines Mannes aus dem Krei­se der moderaten, etablierten Republikaner, die den Erfolg des als Kan­didat nicht mehr zu verhindernden Donald Trump praktisch unmög­lich machen wird.

Bei den Demokraten konnte sich die frühere Aussenministerin Hillary Clin­ton in allen fünf Bundestaaten durchsetzen. Und diese fünf Staaten repräsentieren immerhin über 61 Millionen Einwohner. In Florida und Ohio siegte sie deutlicher als erwartet; in North Carolina mit seinem hohen Anteil schwarzer Frauen unter den demokratischen Wählern etwas weniger klar als erwartet; in Illinois und Missouri nur sehr knapp. Damit brach sie den Schwung und die Zuversicht, welche Senator Ber­nie Sanders eine Woche zuvor mit seinem Sieg in Michigan [bei den Au­toarbeitern] erzeugt hatte. Clintons Nominierung am Parteitag im Juli in Philadelphia zeichnet sich somit ab. Ihr Vorsprung an Delegierten­stim­men gegenüber Bernie Sanders ist heute schon deutlich grösser als 2008 der des später siegreichen Senators aus Illinois, Barak Oba­ma, ihr, der damaligen Senatorin aus New York, gegenüber.

Das heisst jedoch nicht, dass der ausgesprochen linke, sozialdemo­kra­ti­sche Senator aus Vermont die Segel streichen wird. Ganz im Ge­gen­teil. Auch die knappen Niederlagen illustrieren die enorme Zustimmung von 80 Prozent, die er bei den Wählerinnen und Wählern findet, die we­ni­ger als 40 Jahre alt sind; fast ebenso stark getragen wird er von gut ausgebildeten Intellektuellen und etwas weniger ausgeprägt von den weissen Arbeitern, deren Reallöhne seit Jahren stagnieren, teilweise sogar abnehmen und die sich über ihre wirtschaftliche Zukunft grosse Sorgen machen. Und diese Bevölkerungsgruppen sind in den Bundes­staa­ten, die in den kommenden Wochen ihre Kandidaten bestimmen, sehr bedeutend (Arizona, Kalifornien, Pennsylvania, New York u.a.); Sanders weiss, dass er dort gute Ergebnisse erzielen kann. Zudem haben auch seine innerparteilichen Gegner gemerkt, dass die sehr differenzierten und substanziellen Debatten mit Sanders Hillary Clinton zu einer immer besseren Kandidatin haben reifen lassen. Sie vermag je länger desto überzeugender zu argumentieren, nimmt heute mehr als noch vor wenigen Wochen sozialkritische Anliegen auf und beginnt, sich auch Wallstreet-Kritik zu eigen zu machen. Kurz: Sanders hilft Clinton, sich besser auf einen Wahlkampf mit Trump vorzubereiten. Ebenso trägt Sanders Fähigkeit, Jüngere zu beflügeln zu einer bes­se­ren Mobilisierung der Demokraten bei, was im Hinblick auf den herbstlichen Hauptgang Clinton auch nur recht sein kann.

Bei den Republikanern konnte sich Trump im grossen Südstaat Florida durchsetzen. Dies trotz enormer Kritik und obwohl alleine in Florida TV-Werbespots im Wert 60 Millionen Dollar gegen ihn geschaltet worden sind. Der früher von der extremen Teaparty-Bewegung getragene Se­na­tor aus Florida, Marco Rubio, verlor auf Trump fast 20 Prozentpunkte – ein Debakel, das ihn sofort zur Aufgabe zwang, was von vielen auch mit dem Ende seiner politischen Laufbahn gleichgesetzt wird.

Demgegenüber gewann der Gouverneur von Ohio, John Kasich, die Nomination zum Präsidentschaftskandidaten in seinem Staat. Damit hielt sich der ausgesprochen vernünftig, integrativ und besonnen auf­tretende Anti-Trumpist im Rennen. Kasich dürfte trotz seines grossen Rückstandes beim republikanischen Parteitag in Cleveland (Ohio) eine wichtige Rolle spielen: Als Alternative für den Fall, dass Trump die ab­so­lute Mehrheit der Delegiertenstimmen nicht schafft; es könnte sich in den dadurch nötig werdenden Wahlgängen eine neue Mehrheit für Ka­sich finden. Oder sei es für den Fall, dass Trump mit einer absoluten Mehrheit der Delegierten an den Parteitag kommt und so die Nomi­na­tion auf sicher hat; er könnte dann als sogenannt unabhängiger Repub­li­ka­ner ins Rennen um das US-Präsidium steigen - mit der Legitimität als in einem wichtigen Bundesstaat von der Mehrheit des Volkes unterstützter Kandidat. So würde er im November die Republikaner spalten, was Trump verunmöglichen würde, mehr Wählerstimmen zu gewinnen als Hillary Clinton und somit dieser die US-Präsidentschaft fast schon im Voraus sichern.

Damit würde sich im Herbst 2016 etwas wiederholen, das vor genau 104 Jahren schon einmal den Demokraten zur für sie damals sehr seltenen US-Präsidentschaft verhalf: Der ehemalige republikanische Präsident Theodor Roosevelt (1858-1919, Präsident von 1901-1908) war am republikanischen Parteitag 1912 dem republikanischen Amts­in­haber Taft unterlegen und konnte dessen Kandidatur für eine zweite Amtszeit nicht verhindern. Worauf Teddy Roosevelt für eine neue 'pro­gressive' Partei kandidierte, an der Wahl mehr Stimmen holte als Taft (27,4 Prozent gegenüber 23,2 Prozent), beide aber vom Demo­kra­ten Woodrow Wilson überflügelt wurden. Dieser wurde mit einem Stim­men­an­teil von nur 41,8 Prozent US-Präsident - fast zehn Prozent weniger als die zusammengezählten Stimmenanteile der beiden Konkurrenten, die wenige Monate zuvor noch Mitglieder der gleichen republikanischen Partei gewesen waren.

Die gegenwärtige Nummer 2 unter den republikanischen Kandidaten, Senator Cruz aus Texas, der vergangene Woche in zwei Staaten Trump sehr nahe kam, ist für viele keine echte Alternative zu Trump: Cruz ist noch reaktionärer und fundamentalistischer als dieser und bei der republikanischen Mehrheit zumindest fast so unbeliebt. Er könnte auch dann keine Alternative zu Trump werden, wenn er in eventuell notwendig werdenden Wahlgängen am Parteitag massiv Delegierten­stim­men zulegen und seinen grossen Rückstand zu Trump aufholen könnte. Wie Trump könnte Cruz in der Wahl im November das Feld der mittlerweile sehr zerklüfteten Republikaner nicht hinter sich einen und hätte gegen Hillary Clinton keine Chance.

Verschiedene Gruppen konservativer Republikaner haben sich am 17. März getroffen mit dem Ziel, Strategien zu entwerfen, um die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu verhindern. Eine Gruppe um den einflussreichen konservativen Publizisten Erick Erickson traf sich in einem Army- und Navy-Club in Washington mit dem Ziel, für den Fall, dass die Kandidatur Trumps nicht mehr zu verhindern sei, sofort mit dem Aufbauen eines dritten Kandidaten zu beginnen, angesichts dessen Trump seine Chancen schon im Voraus vergessen könne.

Eine andere Widerstandsgruppe formierte sich 1600 Kilometer weiter südlich. In Florida bildete sie sich um reiche republikanische Geldgeber und gestandene Konservative. Zur Drohung Trumps, es würden in allen Regionen des Landes gewaltsame Unruhen ausbrechen, wenn er mit der grössten Anzahl Delegierten nach Cleveland komme und dennoch nicht nominiert würde, meinte einer aus der Runde von Florida: «Abra­ham Lincoln musste 1860 am Parteitag auch drei Wahlgänge über sich ergehen lassen, bis er Kandidat der Republikaner für das US-Präsidium wurde; was für Lincoln gut war, sollte heute allen Kandidaten billig sein und zwar ohne irgendwelche Drohungen, Gewalt zu provozieren.»


Kontakt mit Andreas Gross



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