21. April 2014

TagesAnzeiger

Mark Streits Flyers gleichen Playoff-Fehlstart aus


NHL-Playoffs:
Erste Runde/Zweites Spiel:

New York Rangers – Philadelphia Flyers 2-4 (2-1/0-2/0-1) /
Serie: 1-1



Auch fliegende Hockeyspieler fliegen nicht immer gleich erfolg­reich: Während die Klotens Flyers abstürzten, nutzten die Flyers aus der alten amerikanischen Hauptstadt Philadelphia um den derzeit besten Schweizer Hockey-Verteidiger Mark Streit Ostern zum Ausgleich ihrer Playoff-Startniederlage. Sie gewannen in New York das zweite Spiel gegen die Rangers 4 zu 2 und dürfen nun im Stanley Cup wieder hoffen, für einmal ganz ins Ziel zu fliegen.

Sonniger und warmer Ostersonntag, mittags um zwölf. Madison Square Garden, die «berühmteste Sport-Arena der Welt»:18'200 Zuschauer­in­nen und Zuschauer machten zur Ouvertüre der diesjährigen Stanley-Cup-Playoff-Serie der weltbesten Eishockey-Liga in New York ein Höllenspektakel. Sie klatschten, schrien, brüllten und tanzten, «United in Blue», angeturnt vom 4 zu1-Auswärtssieg ihrer Rangers in Philadelphia drei Tage zuvor.

«Let them feel us» hatte der Speaker als doppeldeutiges Motto zum beeindruckenden Auftakt ausgegeben. Erst schien es zu klappen. Die immense Energie der 18'000 assistierenden Menschen übertrug sich sofort auf die sechs auf dem Eisfeld. Die Rangers machten auf Tempo und schnürten die Philis in deren Drittel ein. Innert zehn Minuten gingen sie dank zweier von den beiden Kanadiern Martin St. Louis und Benoit Pouliot auf fast genau gleiche Art erzielten Tore in Führung. Zwei schöne Kombinationen über drei Stationen schlossen diese von halbrechts mit unhaltbaren Schüssen in die obere rechte Torecke ab; die Pässe kamen von Routinier Rick Nash (mit bereits über 700 NHL-Spielen) und dem kleinen flinken norwegischen Publikumsliebling Mats Zuccarello. [Ein Südnorweger?!? – Der Setzer].

Doch mit dieser schnellen Führung schienen sich die New Yorker, bei denen Stammverteidiger Ryan McDonagh wieder ganz fit war, weshalb der Neuzugang aus Zug, der Schweizer Nationalspieler Raphael Diaz, sich gar nicht hatte umziehen müssen, sich selber ein Bein zu stellen. Sie nahmen Tempo aus dem Spiel und machten es sich zu gemütlich. So kam der Tscheche Jakob Voracek noch im ersten Drittel zum Anschlusstreffer. Zu Beginn des zweiten Drittels vergab Brad Richards für die Rangers zwar noch eine Riesenchance, doch das war’s dann. Von da an machten nur noch die Gäste von sich reden und unter den Zuschauern wurde es immer stiller. Jason Akeson, auch er ein Kanadier und einer der besten Philadelphias, schaffte den Ausgleich und Luke Schenn in der 32. Spielminute die Führung, welche Philadelphia nicht mehr abgeben sollte.

Unter den 18'000 Zuschauern wurde es immer stiller. Keinerlei Energie übertrug sich mehr aufs Eis. «Wake up!» hörte ich zwar eine weibliche Stimme aus der Nachbarschaft leicht verzweifelt rufen, neben den im­mer wieder aufkommenden «Let’s go, get it!» Doch es herrschte jetzt immer wieder Stille im mächtigen Oval. Die Leute waren perplex, dass den Rangers kaum mehr etwas gelang. Sie schienen all ihre Energie, die eigene wie die fremde, aufgebraucht zu haben. So war es mucks­mäuschen­still, als Mark Streit gegen Ende des zweiten Drittels den Puck im eigenen Drittel übernahm, zwei Widersacher ausspielte und magistral seinen finnischen Kollegen Timonen lancierte, der an Akeson weitergab.

Zwar vergab der Kanadier, doch Mark Streit konnte mit seiner soliden Leistung bei seiner Rückkehr nach New York zufrieden sein. Er ragte nicht speziell heraus, bekam auch nicht überdurchschnittlich viel Eiszeit (17’22), stand jedoch bei keinem Gegentor in der Spielformation und gab keinen einzigen Fehlpass. So wurde der Berner im Team Phila­del­phias, der zuvor fünf Jahre lang bei den New Yorker Islanders auf Long Island gespielt hatte, davor mit dem ZSC 2000 und 2001 zweimal Schweizer Meister geworden war, der einzige Flyer beidseits des Atlantiks, der mit den diesjährigen Ostertagen positive Erinnerun­gen verknüpft. Er kann zudem hoffen, in den restlichen fünf Playoff-Spielen für die favorisierten Erzrivalen aus New York einige weitere Überraschungen bereit zu halten.

Doch gepfiffen hat im Madison Square Garden niemand. Ihren Unmut brachten die Fans ganz still zum Ausdruck. Ihrer Enttäuschung mit Einkehr. Ruhe schien in der Niederlage gleichsam Pflicht. Und als schon zwei Minuten vor Schluss die Rangers ihren Torhüter auf der Spielbank Platz nehmen liessen und Wayne Simmons – einer der 30 Kanadier in den beiden Teamkadern - nach zwei schönen Dribblings 50 Sekunden vor Schluss zum entscheidenden vierten Tor ins leere Gehäuse der Rangers traf, da standen die meisten im Publikum einfach auf, wandten sich ab und machten sich schweigend auf den Heimweg. Zurück in die Sonne und an die frische Luft. Am kommenden Sonntag werden die meisten von ihnen wieder kommen. Ganz einfach, ganz ruhig und zumindest zu Beginn wieder kreischend vor (Vor-)Freude.


Kontakt mit Andreas Gross



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