08. Sept. 2012
Limmattaler Zeitung
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Volksvertreter dürfen Volksrechte nicht abschaffen
Von Andreas Gross, National- und Verfassungsrat
In einer Direkten Demokratie obliegen die Gesetzgebung und die Verfassungs-entwicklung Volk und Parlament. Sie haben diese Aufgabe gemeinsam zu bewältigen. Die Instrumente dieser Zusammenarbeit sind einerseits die Möglichkeit des Kantonsrates, eine Volksinitiative mit einem eigenen Gegenvorschlag zur Volksabstimmung zu bringen und den Stimmberechtigten Varianten vorlegen zu können sowie andererseits das konstruktive Referendumsrecht der Bürger, mit dem sie einer kantonsrätlichen Gesetzesrevision eine konkrete Alternative gegenüberstellen dürfen. Alle drei Instrumente verfeinern die Direkte Demokratie, in dem sie mehr als simples Ja oder Nein ermöglichen und den Stimmberechtigten erlauben, zwischen drei verschiedenen Möglichkeiten die ihnen überzeugendste auszuwählen und durchzusetzen.
Einer bürgerlichen knappen Kantonsratsmehrheit – sie umfasste nicht einmal die Hälfte aller Kantonsräte - ist dies zu kompliziert und unklar. Die Volksvertreter wollen aber nicht ihre eigenen Rechte abschaffen, sondern nur das jüngste Volksrecht, die Zwillingsschwester des parlamentarischen Gegenvorschlagsrechts, das Konstruktive Referendum, das sich die Zürcherinnen und Zürcher erst im Februar 2005 mit ihrer neuen Kantonsverfassung geschaffen haben. Obwohl sich dieses jüngste Volksrecht seither sehr bewährt hat: Neunmal ist es bereits gebraucht worden, zweimal von ausserparlamentarischen Bürgergruppen, zweimal von Gewerkschaften, fünfmal von Parteien. In sechs von acht Fällen, in denen die Volksabstimmung schon stattgefunden hat, hat das neue Instrument die Diskussion zwar bereichert und präzisiert, die kantonsrätliche Mehrheit konnte sich aber durchsetzen. Zweimal fallierte sowohl der Kantonsrat als auch das Konstruktive Referendum.
Unklar ist dies nur für Volksvertreter, die bedauern, nicht das letzte Wort haben zu können. Kompliziert ist dies nur für jene, die anderen weniger zutrauen als sich selber. Wären sie nicht betriebsblind, hätten die SVP- und FDP-Kantonsräte merken können, dass das Konstruktive Referendum das Parlament zu besseren Kompromissen zwingt. Denn wer sich zu wenig ernst genommen fühlt vom Parlament, kann sich dank dem Konstruktiven Referendum wehren. Oder ist es etwa genau dies, was zu viele Kantonsräte stört? Sie wie das jüngste Volksrecht haben mehr Zeit verdient, um alle von dessen Güte noch mehr zu überzeugen. Deshalb empfehle ich Ihnen sich zu wehren, wenn Volksvertreter Volksrechte abschaffen wollen. Das können Sie am besten, wenn sie diese unnötige Änderung der Verfassung ablehnen und am 23. September Nein stimmen!
Kontakt mit Andreas Gross
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