20. Jan. 2012

Tages-Anzeiger

Nationalräte wollen der Presse Geld sprechen


Der Bundesrat soll beim Thema Presseförderung vorwärtsmachen, verlangt eine Parlamentskommission. Der Branchenverband bleibt skeptisch.

Von Stefan Schürer, Bern

Für den Bundesrat besteht kein Grund zur Eile. Erst 2015 will die Landesregierung eine Standortbestimmung zur Presseförderung vornehmen. Bis dahin seien Entwicklungen wie der Konzentrationsprozess in der Branche oder die veränderte Mediennutzung «aufmerksam zu verfolgen». Das schrieb die Regierung vor knapp sechs Monaten.

Dieses Tempo genügt der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats nicht. Sie will die Regierung bereits jetzt zum Handeln verpflichten. In einer gestern verabschiedeten Motion fordert sie den Bundesrat auf, ohne Zuwarten neue Modelle der Presseförderung abzuklären und den Räten Vorschläge zu unterbreiten. Die Mehrheit der Kommission fasst dabei auch direkte Fördermassnahmen ins Auge. Hierfür wäre eine Verfassungsänderung nötig. Zudem sollen Neue Medien wie das Internet in das Förderkonzept einbezogen werden.

Meinungsvielfalt fördern

Die Motion lässt offen, welche Massnahmen konkret zu ergreifen sind. CVP-Nationalrat Gerhard Pfister macht keinen Hehl daraus, dass die Meinungen bereits in der vorberatenden Subkommission auseinandergegangen sind. Für FDP-Nationalrat Kurt Fluri geht es primär darum, die Meinungsvielfalt zu stärken. «Zwanzig Zeitungen nützen nichts, wenn alle das Gleiche schreiben.» Wichtig sei, dass sich eine Zeitung eine eigene Redaktion leisten könne und nicht bloss Inhalte beziehe. Denkbar sei etwa eine finanzielle Unterstützung, die vom Ausmass der redaktionellen Eigenleistung abhängig sei. SP-Nationalrat Andreas Gross will «Qualitätszeitungen» fördern. Für Gross sind dabei «objektive Kriterien» wie die Anzahl Redaktoren oder die Eigenleistungen entscheidend.

Gegenwärtig unterstützt der Bund die Presse nur indirekt. Zum einen besteht ein Sondersatz bei der Mehrwertsteuer. Zum andern profitiert die Lokal- und Regionalpresse von verbilligten Posttarifen. Für Gross reicht dies nicht aus. In vielen Kantonen gebe es heute bloss noch eine Zeitung. Die Kontrolle durch die Medien funktioniere ungenügend. Demokratie dürfe jedoch nicht vom Markt abhängig sein. Gross’ Fazit: «Wenn der Markt nicht mehr funktioniert, dann muss der Staat ergänzend eingreifen.»

Nichts von direkten Fördermassnahmen will die SVP wissen. Sie enthielt sich deshalb in der Kommission der Stimme. Allerdings ortet auch die SVP Handlungsbedarf. Gemäss Nationalrat Rudolf Joder soll die Posttaxenverbilligung auf sämtliche Zeitungen ausgeweitet werden, die zur Meinungsvielfalt beitragen. Setze man hingegen auf direkte Fördermassnahmen, laufe man Gefahr, am Ende mit leeren Händen dazustehen. «Eine neue Verfassungsbestimmung droht spätestens in der Volksabstimmung zu scheitern», so Joder.

Sorge um Unabhängigkeit

Der Ruf nach direkter Unterstützung für die Medienbranche ist ebenso alt wie umstritten. Entsprechende Reformvorschläge scheiterten bislang nicht zuletzt am Widerstand der Verlagshäuser. Laut Urs Meyer, Geschäftsführer des Verbands Schweizer Medien, hat sich an der Position der Branche nichts geändert. Der Verband lehne eine direkte Unterstützung nach wie vor ab, sofern diese die unternehmerische oder redaktionelle Freiheit einschränke.

Nichts halten die Verleger etwa vom Vorschlag, gegen eine staatliche Entschädigung den politischen Parteien eine fixe Anzahl Seiten pro Jahr zu überlassen. Dieser Vorschlag tauchte offenbar im Rahmen der Konsultationen durch die Staatspolitische Kommission auf. Meyer zweifelt auch an Qualitätskriterien, wie sie Gross formuliert. «Es kann nicht das Ziel sein, möglichst viele Leute einzustellen, um Bundesgelder zu erhalten.»


Kontakt mit Andreas Gross



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