2. April 2011
Konzeptpapier
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Initiative zur Schaffung von Transparenz und Fairness bezüglich der vor Abstimmungen und Wahlen investierten Geldmittel
Konzeptpapier zur Konsultation unter möglichen kommenden Initiantinnen und Initianten. -- Zur Lancierung der eidgenössischen Volksinitiative(n) zur besseren Qualität der Demokratie durch die Schaffung von Transparenz und Fairness bezüglich der vor Abstimmungen und Wahlen investierten Geldmittel.
Von Andi Gross und Andy Tschümperlin
(SP-Nationalräte und Mitglieder der Staatspolitischen Kommission)
1. Zur Ausgangslage
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratische Qualität der Meinungs- und Willensbildung vor Wahlen und Volksabstimmungen schwindet zusehends. Sie haben den Eindruck, die öffentliche Meinungs- und Willensbildung sei von sehr unterschiedlichen Geldmitteln beeinflusst, ja beherrscht.
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger haben den Eindruck, das Geld beherrsche die Politik und demokratische Entscheide seien käuflich geworden.
Demokratische Entscheide verlieren dadurch ihre Legitimität. Denn ihr Ergebnis wird nur noch mit dem Umfang der investierten Geldmittel erklärt, deren Herkunft erst noch kaum jemanden bekannt ist.
Dieser Vertrauensverlust untergräbt die Integrationskraft der Demokratie, insbesondere der direkten Demokratie: Viele in der Politik engagierte haben den Eindruck, sie haben mit ihren Vorschlägen keine faire Chancen mehr. Ebenso führen sie Niederlagen nicht mehr auf eigene, organisatorische, inhaltliche oder argumentative Defizite zurück sondern nur noch auf die finanzielle Übermacht der Gegenseite.
Parteien können oft ihren in der Verfassung vorgesehenen Auftrag nur dann erfüllen, wenn sie dabei von einem Wirtschafts- oder Interessenverband unterstützt werden. Der Gemeinsinn und das Allgemeininteresse sind aber ungleich mehr als die Summe aller Partikularinteressen. Doch bei vielen Volksabstimmungen der letzten Jahre sind jene, welche das Gemeinwohl und das Allgemeininteresse vertraten, gar nicht mehr gehört worden weil sie sich des Ressourcenmangels wegen kein Gehör verschaffen konnten.
Wenn aber die öffentliche Meinungs- und Bildungsprozesse einseitig und von mangelnder Qualität sind, kann auch das Ergebnis (der Volksentscheid) nicht überzeugen.
Dabei ist einzugestehen, dass echte Chancengleichheit in Abstimmungskampagnen nicht möglich ist. Möglich ist aber, dass die Ungleichheit nicht so gross wird, dass die eine Seite keine Chancen für sich sieht und das Ergebnis nicht akzeptieren kann.
Dieser vielschichtige Qualitätsverlust der Demokratie ist für engagierte Demokratinnen und Demokraten nicht länger akzeptabel. Weil das Parlament in den letzten zehn Jahren trotz zahlreichen Vorschlägen und vielen Bemühungen mehrheitlich keinen Reformbedarf erkannt hat, müssen wir nun den Gesetzgeber mit einer oder mehreren Volksinitiative(n) zum Handeln zwingen.
2. Zielsetzung und Vorgehen
Lancierung einer oder mehrerer Volksinitiativen (VI) mit denen Transparenz und Fairness bezüglich der in Volksabstimmungen und Wahlen investierten Geldmittel hergestellt werden können.
Die VI sollten nach den Sommerferien lanciert werden, wenn die finanziellen Ungleichgewichte im Wahlkampf 2011 überdeutlich werden und die grosse Verärgerung vieler Bürgerinnen und Bürger genutzt werden können. Diese VI(en) sind notwendig, weil nicht einmal die Mehrheit der Bundesversammlung, welche vor vier Jahren bereit war, den damaligen SVP-Bundesrat abzuwählen sich nicht zu Transparenz- und Fairnessregeln durchringen konnte. Diese hätten verhindert, dass sich der Abgewählte entsprechend rächen konnte und den kommenden Herbst so negativ prägen kann.
Das Initiativkomitee besteht aus Bürgerinnen und Bürgern und die Volksinitiative(n) werden von allen getragen, die sich um die Qualität der Demokratie Sorge machen und diese verbessern wollen.
Alle interessierten Personen und Organisationen sollen konzeptionell vor der Lancierung konsultiert werden, so dass sie nach der Lancierung besonders motiviert sind, sich persönlich und finanziell für das Gelingen der Unterschriftensammlung zu engagieren.
SP-Steuergruppe
Chopard Max, Gross Andi, Jans Beat, Levrat Christian, Kiener Nellen Margret, Marra Ada, Schmidt Carsten, Stöckli Hans, Tschümperlin Andy.
Etwa 20 Personen aus der ganzen Schweiz, darunter auch solche, die vorhaben, entsprechende kantonale Volksinitiativen zu lancieren (so die Juso Aargau oder die BDP Luzern) haben bereits ihr Interesse gezeigt, in der Konzeptionsphase konsultiert zu werden und sich auch an der Lancierung zu beteiligen.
3. Finanzierung der Initiative
Der Mindestbeitrag zur Sammlung und Beglaubigung der notenwendigen 120'000 Unterschriften für eine oder mehrere miteinander verknüpfte Volksinitiative(n) beträgt erfahrungsgemäss mindestens CHF 150‘000.
CHF 50‘000 aus verschiedenen Organisationen wie Umweltverbänden, Gewerkschaften (Zuständig: CL)
CHF 50‘000 aus Grossspenden von Richtern, Kantonalparteien, Einzelpersonen etc. (Zuständig: AT)
CHF 50‘000 aus Kleinspenden durch Fundraising, Konto auf Homepage etc.
4. Termine
Viele Bürgerinnen und Bürger werden im Herbst vom Ungleichgewicht der finanziellen Mittel während des Wahlkampfes erdrückt und erschüttert werden. Diese Unfairness wird offensichtlich sein. Entsprechend wird bei vielen der Ärger überwiegen und sich die Bereitschaft entwickeln, etwas dagegen zu unternehmen – eben z.B. auch eine oder mehrere VI zu unterzeichnen, die verhindern würden, dass so was wieder vorkommen kann. Deshalb müssen wir dann mit unseren VI bereit stehen, um diesen Unmut nutzen zu können.
1. April 2011
Erstes Konzept wird in einen ersten Konsultationsprozess geschickt
(AT und AG)
April 2011
- Mögliche InteressentInnen für Initiativkommittee ansprechen
- Konsultationsprozess organisieren und Ergebnisse evaluieren
(AG und AT)
April und Mai 2011
- Abklärungen Parteileitung (CL)
- Erste Treffen IK (AG und AT)
- Finalisierung von Konzept, Trägerschaft, Finanzen und Initiativtexten
Ende Mai 2011
Abstimmungstext einreichen Bundeskanzlei
(AT, AG, CL)
Mitte August 2011
Lancierung der Initiative
Formulierung möglicher Volksinitiativen
(Vorbemerkung: Präzise Formulierungen, vorläufig aber noch keine juristischen Finessen und bis in alle Details ausgearbeitete Initiativtexte, sondern klare Zielsetzungen und Varianten, welche die Diskussion und Grundsatzentscheide ermöglichen sollen).
Variante A : Transparenz pur
Alle Organisationen, Vereinigungen, Parteien und Personen, welche sich vor Volksabstimmungen und Wahlen an der Willens- und Meinungsbildung beteiligen, müssen Umfang und Herkunft (eventuell ab einem bestimmten Betrag, beispielsweise CHF 10'000) aller damit verbundenen finanziellen Ressourcen öffentlich machen.
Variante B: Transparenz plus
B1. Dito A plus: Juristischen Personen (Firmen, Konzerne u.a.) ist die finanzielle Beteiligung an der Meinungs- und Willensbildung vor Volksabstimmungen und Wahlen untersagt.
B2. Dito A plusplus: Einzelpersonen dürfen pro Wahl und pro Abstimmungsvorlage oder -termin sich mit nicht mehr als CHF 10'000 beteiligen.
B3. Variante zu plusplus: Juristische Personen dürfen sich pro Wahl und Abstimmungvorlage oder –termin mit nicht mehr als CHF 20'000 beteiligen.
Variante C: Transparenz und politische Fairness
Parteien, Initiativ- und Referendum- sowie Abstimmungskomitees, welche Umfang und ab CHF 1000 (Variante CHF 10'000) die Herkunft ihrer finanziellen Ressourcen offen legen, haben Anrecht auf die Verdoppelung aller ihrer Zuwendungen von Privaten zwischen CHF 50 und 1000 durch den Bund.
Zusätzliche Variante C bis:
Im Gesetz kann der Bund eine Plafonierung der Gesamtsumme vorsehen, die pro Jahr für die Schaffung politischer Fairness zur Verfügung steht, beispielsweise CHF 20 Millionen.
Variante D: Anreiz zur Schaffung von Transparenz bei Initiativ- und Referendums-Komitees
Initiativ- und Referendums-Komitees, welche Umfang und Herkunft aller ihrer finanziellen Ressourcen offen legen, erhalten nach dem offiziellen Zustandekommen ihrer Volksinitiativen, beziehungsweise Referenden, pro beglaubigte Unterschrift fünf Franken als Beitrag für die Kosten der Abstimmungskampagne.
Variante E: Staatliche Parteienfinanzierung
Politische Parteien, welche ihre Buchhaltung offen legen und mindestens einen Sitz im Nationalrat errungen haben, bekommen pro Wähler/innen-Stimme anlässlich der Nationalratswahlen in der kommenden Legislatur pro Jahr einen (Variante zwei) Franken.
5. Überlegungen zur Meinungsbildung zur Konzeption der Volksinitiative(n)
Wir sollten vielleicht aus den zahlreichen parlamentarischen Debatten zu entsprechenden Vorschlägen lernen, dass die Lancierung mehrerer miteinander politisch – nicht juristisch – verbundenen Volksinitiativen den grossen Vorteil hätte, dass wie im Parlament geschehen die verschiedenen Ideen nicht gegeneinander ausgespielt werden können. So ist die Variante A mit Verlustängsten bekämpft worden, die Variante B unnötig machen würde, dieser allein wurde aber entgegengehalten, gegen die Transparenz allein hätte man selbstverständlich nichts. Wenn wir gleichzeitig A und B und evtl. auch C lancieren, dann kann jeder wählen und keiner kann das eine gegen das andere Bessere ausspielen mit dem Effekt, dass wieder gar keine Reform gelingt.
Wir haben auch politisch ein Interesse daran, die notwendige Einheit der Materie nicht zu strapazieren. Wenn wir zu viel in eine einzige VI packen, schaffen wir auf einmal zu viele Gegner, die bei verschiedenen VI gleichzeitig weniger effektiv agieren könnten.
Variante A ist in Frankreich schon Realität. In der deutschen Schweiz fehlt aber eine entsprechende Regelungs-Kultur: Viele widersetzen sich solchen obrigkeitlichen Geboten. Deshalb ist es sinnvoller, diejenigen, die sich im allgemeinen Interesse transparent verhalten dafür mit etwas zu belohnen, was auch im Allgemeininteresse ist: Nämlich, dass die Parteien und Initiativkomitees ihre Arbeit auch dann tun können, wenn kein Wirtschafts- oder Interessensverband sie unterstützt.
Wir müssen den gegenwärtigen Qualitätsverlust der Demokratie in den Vordergrund stellen. Die entsprechenden Mängel der schweizerischen Demokratie sind 2007 von der OSCE beanstandet worden und werden dieses Jahr von der GRECO des Europarates übrigens angemahnt werden. Diese Mängel sind europaweit einzigartig (würden heute den Beitritt zum Europarat verunmöglichen) und setzen die Schweizer Politik und das Schweizer Parlament dem Vorwurf aus, für Korruption sehr anfällig zu sein.
Getragen werden sollte(n) diese Volksinitiative(n) von «Demokratischen Bürgerbewegungen zur Qualitätssteigerung der Direkten Demokratie», die wir in möglichst vielen Regionen der Schweiz gründen wollen.
Bern, 1.4.2011
Ansprechpartner für alle Stellungnahmen und Vorschläge:
Andi Gross, 079'401’71’01
Andy Tschümperlin, 079'780’62’11
Kontakt mit
Andreas Gross
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