10. Nov. 2010

Comedia-Magazin
Nr. 11

Mediendebatte im Kanzlei:
Gefahr für die Demokratie



An der dritten von comedia veranstalteten Mediendebatte im Kanzlei in Zürich gerieten sich die vier prominenten PodiumsteilnehmerInnen über die Frage: «Ist Medienkonzentration tatsächlich die einzige Lösung?» fast ein bisschen in die Haare.

Von Nina Scheu



Es gibt MedienvertreterInnen – vorwiegend solche, die in Teppichetagen sie­deln –, die nicht müde werden zu behaupten, dass sich der Informations­stand im Vergleich zu früher enorm verbessert habe, seit ein grosser Teil der Be­völ­ke­rung täglich Gratiszeitungen durchblättert. Und es gibt Medienvertreter­Innen – vorwiegend solche, die schreibend an der Front stehen oder den Zustand der Informationsvermittlung wissenschaftlich betrachten –, die mit mindestens ebenso grosser Überzeugung darauf aufmerksam machen, dass die demokratische Meinungsbildung in Gefahr sei, weil die verbreiteten «Infor­ma­tionen» nicht mehr relevant sind.

Kontroverse Positionen

Das waren denn auch die beiden Pole der Mediendebatte im Kanzlei vom 10. November 2010. Colette Gradwohl (Chefredaktorin Der Landbote), Josefa Haas (Leiterin Medieninstitut), Hannes Britschgi (Publizist Ringier) und Andreas Gross (Nationalrat SP) diskutierten mit dem Historiker, Journalisten und Autoren Stefan Keller (Präsident Sektor Presse und elektronische Medien von comedia) über Vergangenheit, Gegenwart und vor allem Zukunftsaussichten der Medienbranche.

Die beiden männlichen Gäste positionierten sich rasch an den entgegen­ge­setzten Enden des Meinungsspektrums, die Frauen gingen die Diskussion pragmatischer an: Wenn niemand – weder Verleger noch Lesende – bereit sei, für inhaltlich vertiefende JournalistInnenarbeit zu bezahlen, meinte etwa Colette Gradwohl, dann müsse eben gespart oder auf anderem Weg Geld gefunden werden.

SP-Nationalrat Andreas Gross, der sich als Kenner der Materie entpuppte und in der Verflachung der medialen Berichterstattung eine ernsthafte Gefahr für die demokratische Meinungsbildung sieht, plädierte entsprechend für eine gebürenfinanzierte Unterstützung der Presse. Damit geriet er an Hannes Britschgi, der den Zustand der Schweizer Medienlandschaft «immer noch toll» findet und die Meinung vertrat, die Blogosphäre gleiche «gewisse», doch eingestandene Verluste aus. Vermittelnd meinte Josefa Haas dazu, dass Medien immer das Resultat eines «Aushandlungsprozesses» (zwischen Presse, Politik und Öffentlichkeit) seien. – Was man als: «Die Gesellschaft hat die Medien, die sie verdient» interpretieren könnte.

Noch wenig Publikumsinteresse comedia hatte gerufen und comedia war gekommen. Das freut und stimmt nachdenklich zugleich. Denn die Mediendebatte im Kanzlei richtet sich an Medienschaffende jeder Couleur und auch an die Öffentlichkeit. Den Überzeugten zu predigen war nie das Ziel dieser Veranstaltungen. Die wenigen, die an diesem Abend ins Kanzlei fanden, erlebten eine anregende und auch sehr angeregte Diskussion.

Sie fand denn auch nicht nur hier, im gedruckten Gewerkschaftsorgan, ihren Widerhall, sondern auch in den neuen Medien: Schon wenige Minuten nach der Veranstaltung war im Facebook-Profil eines nicht gewerkschaftlich verbandelten Zuhörers zu lesen: «das erste gute podium zum thema. andi gross ein überraschend guter kenner der presselandschaft, britschgi (…) will von qualitätsschwund partout nichts wissen, (…) – da flogen die fetzen. josepha haas und colette gradwohl differenziert und kompetent».


Kontakt mit Andreas Gross



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