26. Feb. 2016

BaZ

V. Kolumne zu den
US-Vorwahlen

Trumps Triumphe plagen
vor allem ... die Republikaner



Nach dem dritten Triumph von Donald Trump im vierten Vorwahl-Staat Nevada bei den Republikanern und dem für heute Abend zu erwarteten Sieg von Hillary Clinton in South-Carolina bei den Demokraten gehen die Vorwahlen um die amerikanische Präsidentschaft in die vorent­schei­dende Phase: Jetzt wird aus dem von einzelnen Bundesstaaten geprägten Wettbewerb eine nationale Auseinandersetzung; am kom­menden Dienstag entscheiden gleich elf Staaten auf einmal (Super-Tuesday) und acht Tage später sind nochmals fünf und Mitte März nochmals 6 Staaten dran. Dann dürfte klar werden, wer sich wirklich Hoffnungen machen darf, im Sommer an den grossen Parteikonvents in Cleveland (Republikaner) und Philadelphia (Demokraten) zum Prä­si­dent­schaftskandidaten einer der beiden grossen US-Parteien aus­er­ko­ren zu werden.

Das ist zeitlich und personell bereits die erste grosse Überraschung dieses Wahljahres. Mit einer so langen, wirklichen Ausmarchung hat niemand gerechnet. Die meisten waren davon ausgegangen, dass sich die Spreu viel schneller vom Weizen trennen wird und die Favoriten die meisten Konkurrenten viel früher zum Rückzug veranlassen würden.

Bei den Demokraten kann sich jedoch der älteste Präsidentschafts­kan­di­dat in der schon langen Geschichte amerikanischer Wahlen, Senator Bernie Sanders, dank seines unglaublichen Rückenwinds bei den Jün­geren und Jüngsten gut behaupten; trotz mangelnder Unterstützung bei den schwarzen Frauen. Diese sind für jeden Präsidentschafts­kan­di­da­ten der Demokraten, der in den vergangenen 40 Jahren (seit Jimmy Carter) die Mehrheit für sich gewinnen konnte, ein unentbehrliches Wählersegment, das sich bisher zu fast drei Vierteln für Hillary Clinton aussprach.

Wobei Hillary Clinton zeigt, dass sie durchaus immer noch lernfähig ist. So hat sie ihren Diskurs bei den täglich fast Dutzenden von kleineren und grösseren Auftritten im Vergleich zu Ende Januar verändert. Sie spricht viel weniger in der Ich-Form, sagt viel mehr «Wir». Zudem versucht sie die Angesprochenen zu aktivieren und mit einzubeziehen und bietet sich nicht nur allen als Helferin und Super-Mama für alle Benachteiligten an. Für das Schicksal Sanders dürfte entscheidend sein, ob er am kommenden Dienstag neben seinem Heimatstaat Vermont beispielsweise auch in Massachusetts gewinnt und im Süden den Rückstand auf Clinton auf eine einstellige Ziffer reduzieren kann.

Ist die Auseinandersetzung zwischen den beiden demokratischen Kan­di­daten zwar hart und scharf, aber vergleichsweise fair und konziliant, ist unter den immer noch sechs Köpfe umfassenden republikanischen Kandidaten die Hölle los. Dort ist der Favorit des Washingtoner Esta­blish­ments, Jeb Bush, bereits ausgeschieden, sein Budget von 115 Millionen folgenlos in Schall und Rauch aufgegangen. Der in allen Um­fragen führende Kopf, Trump, wird vom Gouverneur von Texas, dem Mainstream-Republikaner Rick Perry als «für echte Konservative giftige Mischung zwischen Demagogie, mieser Gesinnung und Nonsens» be­zeichnet, welche die Republikanische Partei zur Verliererin machen würde. Der republikanische Senator Lindsey Graham, kann sich nicht vor­stellen, «wie man Trump und die republikanische Agenda mit­ei­nan­der versöhnen kann». So ist Trump eine vehementer Kritiker der den Republikanern wichtigen Freihandelsabkommen; er spricht sich für Fa­milienplanung aus, was den die Republikaner dominierenden Ab­trei­bungsgegnern ein Gräuel ist; Trump hat nichts gegen Landenteig­nun­gen für wichtige öffentliche Bauten, was die anti-staatsinter­ven­tion­isti­schen Republikaner ablehnen; Trump will alle 11 Millionen US-Sans Papiers hinauswerfen, während diese für viele Republikaner unent­behr­liche billige Arbeitskräfte darstellen und deshalb zwar prekär gehalten aber im Lande behalten werden müssen.

Entsprechend vehement gingen die beiden Senatoren Cruz und Rubio, beide vor sechs Jahren dank der fundamentalistischen Tea-Party-Be­we­gung nach Washington gewählt, am Donnerstagabend an der letzten kontradiktorischen Debatte auf Trump los und versuchten ihn jeweils zu ihren Gunsten auszustechen. Doch deren Problem ist, dass sie als ag­gressive, eher unerfahrene Ideologen und typische Politikanten daher­kom­men, die Trump fast als coolen Problemlöser, Anti-Politiker und Deal-Macher aussehen lassen. Beide glauben zudem, extremer und damit besser zu sein als der andere; sie hoffen an den beiden Super-Tuesdays ihre jeweiligen wichtigen Heimatstaaten Texas (Cruz) und Florida (Rubio) für sich zu gewinnen und weisen deshalb den Gedan­ken weit von sich, sich zugunsten des anderen und einer gemeinsamen Alternative zu Trump zurückzuziehen. Mitte März könnte es dann aber dafür schon zu spät sein.

Die Republikaner scheinen sich mit einem sehr radikalen Kandidaten abfinden zu müssen, der kaum alle Flügel der Partei hinter sich scharen kann. Das wäre historisch nur mit der Kandidatur von Barry Goldwater im Jahr 1964 zu vergleichen. Goldwater gehörte damals zu jener re­pub­li­kanischen Minderheit, welche die grosse demokratische Errun­gen­schaft jener Zeit, die politische Gleichstellung der Afro-Amerikaner im Civil-Rights-Act, abgelehnt hatte. Der damalige Senator aus Arizona ging sogar so weit zu sagen, manchmal denke er, es ginge den USA insgesamt viel besser, wenn sie sich von der liberalen Ostküste in­klu­sive New York trennen und diese im Atlantik davonschwimmen liesse! Das Wahlergebnis im November 1964 war entsprechend: Präsident Johnson wurde im Amt bestätigt, Goldwater konnte nur Arizona und fünf Südstaaten für sich gewinnen.

Professor Vladimir Solonari aus Orlando in Florida sieht eine weitere Parallele zwischen dem bisherigen Erfolg Trumps und der damaligen Kandidatur von Goldwater: Beide würden vom «systemischen Ras­sis­mus» getragen, welche die Hoheit des Weissen Mannes als ent­schei­den­den Massstab ansieht und die amerikanische Gesellschaft immer noch prägt und die meisten Republikaner veranlasst, eine vernichtende Bilanz über die Präsidentschaft Barak Obamas zu ziehen, dessen Le­gi­ti­mität viele von ihnen nie richtig akzeptiert haben. Deshalb der Slogan, der alle Republikaner derzeit einigt: «Wir müssen unser Land zurück­erobern und es vor dem Untergang bewahren.»

Dem eingeschriebenen Republikaner und Manager einer Bauma­schi­nen-Fabrik, Barry Pope aus Raleigh, der Hauptstadt North-Carolinas, macht diese Ausgangslage im Hinblick auf die Vorwahl Mitte März und die Wahl anfangs November sichtlich Sorgen. Er kritisiert zwar grund­sätzlich, dass die Demokraten immer eine zu grosse Regierung und viel zu teure grosse Bundes-Programme realisieren wollen. Doch die ex­tre­men Republikaner, die sich als Kandidaten abzeichnen, scheinen ihn eher abzuschrecken. So meinte er mir gegenüber in einem Pub an der Staatsgrenze zwischen Georgia und Alabama: «Ich werde zweimal das geringere Übel wählen müssen. Im März eher einen Moderaten wie Ka­sich und im November, sofern es Trump auf das Ticket der Republi­ka­ner schafft, wohl trotz allem Hillary, auch wenn ich sie eigentlich gar nicht mag.»


Kontakt mit Andreas Gross



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