12. Jan. 2016

Zürcher Oberländer

Die helvetische Norm des
schweizerisch Faktischen



Zum Tod von Oscar Fritschi, Verleger und Nationalrat, Wetzikon

Mit Oscar Fritschi war nicht zu spassen. Weder in der Form noch in der Sache. Eisern und wie ein Fels in der berühmten Brandung stand er und verteidigte die Schweiz wie sie war und ist und - nahm man ihn um den Nennwert – wohl immer hätte bleiben müssen. Fritschi verteidigte sie nicht nur, nein, er war die alte verbockte, stock-freisinnige Schweiz der 1950er Jahre, die von sich selbst mehr als überzeugt war und kei­nerlei Zweifel an irgendeiner schweizerischen Tatsache aufkommen liess; Fritschi verkörperte sie in Form, Ton und Inhalt. In seiner knor­rigen, leichten abgehackten, in knappen Sätzen bemessenen Art zu Reden - gesprochen, als würde sie gleichzeitig in Stein gemeisselt und in Blei gegossen - war immer und überall der Oberst zu hören.

Wir sassen acht Jahre lang miteinander im Nationalrat. Richtig kennen lernt man sich aber in den Kommissionen, und da gerieten wir eben auch acht Jahre lang oft in den beiden gleichen – der staats- und der sicherheitspolitischen – ständig und umso heftiger aneinander. Wir wussten aber schon lange vorher um unsere inhaltliche Distanz – als Pazifist und GSoAt waren mir seine samstäglichen ZO-Sonntags­pre­dig­ten gegen alles Kritische, Linke, Antimilitaristische und Sozial­de­mo­kra­ti­sche längst ein Graus. Dagegen war sogar die NZZ-Militärredaktion fast aufmüpfig und innovativ. Es gab wohl nicht einen einzigen demokratie-, presse- oder sicherheitspolitischen Reformantrag, der gleichzeitig von uns beiden unterschrieben worden war. Ich war für ihn viel zu «sen­si­bel» für alle neuen Ideen, und er war für mich der Eisberg, in dem alles erstarrte und sich nichts mehr entwickeln konnte. Doch darin lag of­fen­bar auch etwas Beruhigendes: Wir konnten uns auf unseren Antagonis­mus absolut verlassen. Da musste sich keiner mehr aufregen. Darauf war einfach Verlass und dies liess uns menschlich, vor allem in der Re­daktionskommission, wenn es ums gemeinsame Feilen an der Ver­ständ­lichkeit ging, näher kommen. Respektvoll – im Wissen um die Differenz - ganz gelassen, weil gemeinsam der Unmöglichkeit bewusst, daran etwas ändern zu können.

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Veröffentlicht wurde im ZO dies:

Andreas Gross alt Nationalrat SP

«Mit Oscar Fritschi war nicht zu spassen – weder in der Form noch in der Sache. Eisern und wie ein Fels in der Brandung stand er und ver­teidigte die Schweiz, wie sie war und ist. Wir sassen acht Jahre lang miteinander im Nationalrat. Richtig kennen lernt man sich aber in den Kommissionen, und da gerieten wir in den beiden gleichen – der Staats- und der Sicherheitspolitischen – ständig und umso heftiger aneinander. Wir wussten aber schon Lange vorher um unsere in­halt­li­che Distanz – als Pazifist und GSoA-Aktivist waren mir seine sams­täg­li­chen ZO-Sonntagspredigten gegen alles Kritische, Linke, Antimilita­ris­ti­sche und Sozialdemokratische längst ein Graus. Doch darin lag auch etwas Beruhigendes: Wir konnten uns auf unseren Antagonismus ab­so­lut verlassen. Da musste sich keiner mehr aufregen. Dies liess uns menschlich, vor allem in der Redaktionskommission, wenn es ums gemeinsame Feilen an der Verständlichkeit ging, näherkommen. Respektvoll – im Wissen um die Differenz.»


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