6. Jan. 2016

Maturaarbeit
Kanti Küsnacht


Die vollständige Arbeit finden Sie hier

Menschenrechte sind endlich auch
in der Schweiz ernst zu nehmen



Ein Fragebogen zum Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene von Konrad Kramer, Kantonsschule Küsnacht (Maturaarbeit).

Stellen Sie bitte sich selbst, Ihre politische Karriere und die politischen Werte, die Sie vertreten, kurz vor.

Ich bin Politikwissenschaftler, habe Geschichte (Zürich) und Politik­wis­senschaften (Lausanne) studiert, mich praktisch und theoretisch auf die Direkte Demokratie spezialisiert, wozu ich 20 Jahre Lehraufträge vor allem an deutschen Unis wahrnahm. Ich war Autor und Initiator ver­schie­de­ner Volksinitiativen (Pop-VI, Stadt Zürich 1980, GSoA 81-89, Anti-F/A-18 (92/93) und für die UNO (1997-2002), war 24 Jahre im Nationalrat, 21 Jahre im Europarat und dort als erster Schweizer überhaupt acht Jahre lang Fraktionspräsident (SP).

Inwiefern haben Sie schon mit dem Ausländerstimmrecht zu tun ge­habt?

Ich habe die Idee und entsprechende kantonale Volksinitiativen seit 1988 immer wieder unterstützt, zum Teil sogar mitlanciert.

Befürworten Sie allgemein ein Ausländerstimmrecht auf Gemeinde­ebene?

Ja, sicher. Demokratie ist ein Menschenrecht und verlangt, dass die von politischen Entscheidungen Betroffenen auch zu den Mitent­schei­dern gehören. Die Demokratie ist kein Privileg irgendwelcher Staats­bür­ger. Nach zwei oder drei Jahren Wohnsitz in der Gemeinde sollten alle ab dem 16. oder 18. Altersjahr das kommunale Stimm- und Wahlrecht bekommen. Das wäre auch ein vorzüglicher Anstoss zur Integration.

Woher rührt Ihr grosses Engagement und Interesse – nicht nur in der Schweiz – für die Demokratie?

Keine andere Organisationsform ermöglicht so viel Freiheit und Ge­rech­tigkeit für alle; Demokratie ermöglicht vernünftige Gesellschafts- und Lebensformen. Jedwede Elitenherrschaft mindert die Entfaltung sowohl des Einzelnen als auch der Gesellschaft.

Wieso liegt Ihnen die direkte Demokratie so am Herzen?

Weil ich ihren Wert ganz persönlich erfahren, undemokratische Zu­stän­de erlitten und gemerkt habe, dass man für die wichtigsten Dinge auch mit dem Herzen arbeiten muss, nicht nur mit dem Kopf, den Händen und den Füssen.

Und: Was motivierte Sie dazu, Wahlbeobachter zu sein?

Die Erfahrung, dass man auf diese Art fremde Gesellschaften und Länder am schnellsten wirklich gut kennen lernen kann.

Haben Sie schon Erfahrungen gemacht mit einem Ausländer­stimm­recht? Wie beobachten Sie dessen Entwicklung (beispielsweise in der Westschweiz oder im Jura)?

Ich habe die Geschichte des Ausländerstimmrechts, beispielsweise die Neuenburger Pioniertat von 1852 und dessen Einführung in Genf, im Jura (wo sie auch die Ständeräte mitwählen dürfen) und in der Waadt ebenso studiert wie die entsprechenden Volksinitiativen in Baselstadt und Zürich begleitet und unterstützt. Im August war ich auch wieder an einer entsprechenden schönen Kundgebung der jungen Initianten im Baselbiet. Auch im Zürcher Verfassungsrat habe ich mich – leider ver­geblich – dafür eingesetzt. Es ist eine Schande, dass Graubünden und Appenzell-Ausserrhoden mit dem fakultativen kommunalen Auslän­der­stimmrecht diesbezüglich weiter sind als Zürich. In Zürich und der Deutschschweiz meint die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bis heute, die Demokratie sei ein Privileg der Staatsbürgerschaft und nicht ein Menschenrecht. Das illustriert, wie wenig wir von der Demokratie wirklich verstanden haben.

Was haben Sie für ein Demokratieverständnis (das einer Bürger­de­mo­kratie oder das einer Betroffenendemokratie)?

Das ist kein Unterschied. Demokratie ist immer Bürgerdemokratie. Doch alle Betroffenen sollten Bürger sein, denn der Bürgerstatus muss allen offen stehen – eigentlich sogar den Jüngsten. Immerhin geht der geschichtliche Trend in diese Richtung: Früher waren es nur die steuer­zahlenden weissen Männer, die Bürger waren; später alle weissen Männer, dann alle Männer und jetzt alle Staatsangehörigen; in den EU-Ländern steht schon das kommunale Stimm- und Wahlrecht allen EU-Bürgern offen. In der Schweiz ist der Trend zu langsam; doch irgend­einmal werden auch wir so weit sein. So wie es bald auch ein trans­na­tionales europäisches Bürgerecht geben wird; denn von einem AKW Leibstadt sind auch die Bewohner jenseits des Rheins, beispielsweise in Waldshut betroffen und sollten als deutsche Bürger in die entspre­chen­den Betriebsbewilligungsverfahren miteinbezogen werden, be­ziehungsweise worden sein.

Werten Sie den Ausschluss von Ausländern, einem grossem Teil der Schweizer Bevölkerung, vom Stimmrecht als Demokratiedefizit?

Ganz gewiss. Es gehört zu den grössten schweizerischen Demokratie-Defiziten.

Ist die enge Verbindung zwischen Bürgerrecht und Stimmrecht noch aktuell in Zeiten wachsender Mobilität und steigender Ausländer­an­tei­le? Ist es an der Zeit, das Modell der Bürgerdemokratie zu über­den­ken?

Diese Zeit ist längst gekommen. Doch erst die westschweizerischen Kantone, die eine andere Empathie für sogenannte Minderheiten ha­ben, haben dies gemerkt. Nach drei Jahren sollten alle Neuzuzüger in die Bürgergemeinde aufgenommen werden, wie auch alle, die in der Schweiz geboren wurden und 16 oder 18 Jahre alt geworden sind. Das sollten Automatismen sein, wie wir auch ungefragt das Stimmcouvert bekamen, als wir damals 20 Jahre alt wurden.

Was entgegnen Sie jenen, die sagen, dass verschiedene Initiativen in der Deutschschweiz doch zeigen, dass ein grosser Teil der Stimm­bür­ger nicht von einer Bürgerdemokratie abrücken will?

Wie gesagt, viele SchweizerInnen wissen nicht mehr oder wussten nie ganz, was Demokratie eigentlich bedeutet. Sie gehört zwar zu den schweizerischen Lieblingsbegriffen, ist aber bei zu Vielen inhaltsleer geworden. Das zeigt auch, wie schlecht unsere Schulen sind, Gym­na­sien wie Berufsschulen, und wie es an politischer Bildung fehlt. Politisch engagierte Menschen müssen Andere vom Richtigen und Besseren überzeugen und nicht meinen, das Richtige sei identisch mit dem, was die Meisten für richtig halten.

Würde das Ausländerstimmrecht die Staatsbürgerschaft entwerten? Die Staatsbürgerschaft ist ja erst durch die Demokratie entstanden, um den stimmberechtigten Teil der Bevölkerung zu definieren.

Die meisten Staaten sind älter als die Demokratie. Die USA und die Schweiz gehören zu den Ausnahmen; da entstand der Staat gleich­zeitig mit der Demokratie (1776/1848) – insofern teile ich Ihre Definition nicht. Inklusive zumindest dem kommunalen Ausländerstimmrecht würde die Staatsbürgerschaft auf-, nicht abgewertet. Alles, was allen offensteht, wird bedeutsamer als das, was nur einigen wenigen Pri­vilegierten zusteht.

Bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen mit landesweiten Aus­wirkungen sind die Grenzen sinnvoll für die Bestimmung der Wahl­be­rech­tig­ten. Spezifisch zum Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene: Bei Fragen, die ausschliesslich Auswirkung auf diese eine Gemeinde haben, denken Sie da, die Staatsbürgerschaft sollte auf Gemeinde­ebe­ne keine Rolle spielen?

Davon bin ich überzeugt. Ebenfalls bezüglich des Kantons; sogar auf Bundesebene möchte ich die Menschen ohne Roten Pass nicht aus­schliessen. Vielleicht könnte man einfach die Zeit staffeln, in der sie bei uns wohnen und sich mit und in unserer Gesellschaft kundig machen und sich beheimaten konnten: Das kommunale Stimm- und Wahlrecht gibt es nach drei Jahren, das kantonale nach fünf und das eidge­nös­si­sche nach sieben Jahren. Ob sie auch Schweizer Bürger werden wollen, steht ihnen offen. Zu viele Staaten kennen leider das doppelte Staatsbürgerrecht nicht, so dass wir hier keinen Zwang ausüben sollten.

Wäre ein Ausländerstimmrecht durch eine frühere, schnellere, un­komp­li­ziertere und kostengünstigere Einbürgerung hinfällig? Wieso sprechen Sie sich für eine Zwischenlösung aus?

Nein, hinfällig würde dies nicht. Aus dem genannten Grund der an vielen Orten noch fehlenden Doppelten Staatsbürgerschaft geht es darum, tiefe Loyalitätskonflikte mit den Eltern oder mit der eigenen Herkunft zu vermeiden. Bemerkenswert ist aber, dass es die gleichen sind, welche das Ausländerstimmrecht ablehnen und die Einbür­ge­rungshürden erhöhen. Die leiden tatsächlich an nationaler Selbst­überhebung und gleichzeitig an Demokratiemissachtung und Demokratieverachtung.

Wieso braucht es Ihrer Ansicht nicht das Bekenntnis zur Schweiz und ihren Werten, also die Einbürgerung, um hier wählen zu dürfen?

Es braucht einzig das Bekenntnis zu den Normen der Bundes­ver­fas­sung. Und das ergibt sich implizit für alle, die nicht straffällig werden. Zusätzliche Tests sind unnötig und bloss obrigkeitsaffin. Das Mitwirken im Rahmen von Abstimmungen und Wahlen ist das schönste Be­kennt­nis zu unserer Gesellschaft; auch Kritik ist immer Ausdruck von Zu­nei­gung! Indifferente kritisieren und lieben nicht.

Was entgegnen Sie jenen, die sagen, dass zu Rechten Pflichten gehören?

Die haben recht, deshalb muss man es auch nicht betonen oder zusätzlich regeln. Die Bundesverfassung und die darauf fussenden Gesetze enthalten auch Pflichten, die von den Allermeisten, die hier wohnen, arbeiten und Steuern bezahlen, auch geachtet werden.

Es wäre kein integrales Recht mehr, wenn das Ausländerstimmrecht nur auf einer oder zwei Ebenen eingeführt würde. Erachten Sie den Bruch der Einheit der politischen Rechte nicht als problematisch?

Nein, zumal ich es ja staffeln würde. Und vergessen Sie nicht, dass wir über 100 Jahre lang die Ganze Mehrheit der Betroffenen ausge­schlos­sen haben: Auch die Frauen durften kommunal und erst später kan­to­nal beginnen, was ihnen 1971 zugestanden wurde. In diesem Sinn ist die Einheit schon lange eine Fiktion, ja war immer eine.

Sind Sie der Meinung, das Ausländerstimmrecht habe eine integra­tions­för­dernde Wirkung? Soll es deswegen vor der Einbürgerung eingesetzt werden?

Genau. Es ist kein Preis für die Integration, sondern der Weg dazu. Das ist wohl eines der grössten herrschenden Missverständnisse, bezie­hungs­weise Fehleinschätzungen. Vielleicht lässt sich dies einmal mit empirischen Vergleichen zwischen Kantonen (JU/GE/NE) und anderen in der Deutschen Schweiz auch plausibilisieren.

Sie sagen in einem Interview, in der Schweiz habe man den grossen Vorteil, dass man nicht in einem Parlament sein müsse, um politisch Einfluss zu haben. Wie meinen Sie das? Und: Haben die Ausländer nicht schon genug Möglichkeiten, um sich politisch Gehör zu verschaffen?

Bürgermacht beschränkt sich nicht auf die Wahl; wir können mit Re­fe­ren­den und Initiativen viel Macht wahrnehmen, wir müssen nicht in ein Parlament dafür. Ausländer haben auch Möglichkeiten (Demonstra­tio­nen, Leserbriefe u.a.), doch sind diese unkonventioneller, brauchen mehr Mut und es gibt keinen Grund, ihnen nicht auch die Volksrechte zu eröffnen.

Kann das Ausländerstimmrecht Ihrer Meinung nach bei den Ausländern als Zeichen der Wertschätzung und des Respekts wahrgenommen werden?

Das würde es ganz bestimmt; genau dies sollte und könnte man mit kantonalen vergleichenden Untersuchungen doch belegen. Heimat finde ich dort, wo ich mich aufgehoben fühle, wo ich auch wider­spre­chen, ja teilhaben darf. Ich werde ein Teil, weil ich als Teil angesehen und eingeladen wurde, mitzudenken und mitzuwirken. Durch die po­li­tische Partizipation werde ich Teil des Ganzen; ohne sie bleibt sie mir fremd.

Die Ausländer in der Schweiz machen einen Viertel der Erwerbstätigen aus. Sie sind für die Wirtschaft unverzichtbar. Wäre es daher nur ge­recht, ihnen dieses Zeichen zu vermitteln?

Auch so kann man es sagen. Wir verdanken ihnen viel - deshalb geben wir ihnen etwas zurück.

Nach wie vielen Jahren sollen Ihrer Meinung nach Ausländer auf Ge­mein­deebene mitreden können? An welche Bedingungen soll ein sol­ches Stimmrecht für Ausländer sonst noch gebunden sein (Sprachtest, Aufenthaltsstatus)?

Das habe ich schon erwähnt. Wohndauer genügt; die sprachlichen Fä­higkeiten werden sich im Tun und Leben ergeben. Sonstige Tests sind keine erforderlich.

Bevorzugen Sie das obligatorische oder das fakultative Stimmrecht?
- Obligatorisch: Dies spricht doch gegen das Prinzip der Subsidiarität? Denken Sie nicht, das schränkt die Gemeinden in ihrer Selbst­stän­dig­keit ein? Die Situation und der Anteil der Ausländer ist ja in jeder Ge­meinde verschieden.
- Fakultativ: Finden Sie nicht problematisch, wenn daraus ein Flicken­tep­pich von verschieden ausgeprägten Ausländerstimmrechten ent­steht?


Menschenrechte sind unteilbar. Sie gelten für alle, ohne Ausnahme. Sie unterstehen auch nicht der Subsidiarität; das ist seit 1848 so, deshalb sind die Kantone auch in ihrem Wahlrecht nicht einfach frei, sondern haben dabei gewisse Grundrechte zu achten.

Befürworten Sie auch eine Ausweitung des Ausländerstimmrechts auf die kantonale oder allenfalls eidgenössische Ebene?

Jawohl, mit der einzigen Einschränkung der zeitlichen Staffelung, die eine gewisse Angewöhnungszeit erlaubt.

Haben die politischen Rechte Ihrer Meinung nach eine besondere Bedeutung in der Schweiz im Vergleich zu anderen Demokratien?

Die Schweizer Stimmbürgerinnen und –bürger haben viel mehr Macht als in anderen, rein repräsentativen Demokratien. Deshalb haben die politischen Rechte tatsächlich eine besondere Bedeutung. Deshalb sind sie bei uns auch ein Teil unserer kollektiven Identität geworden.

Mit dem Wort Ausländer verbinden viele Schweizer negative Aspekte. Ist das Wort Ausländerstimmrecht vielleicht ein wenig eine unge­schick­te Bezeichnung (Einwohnerstimmrecht)?

Ich versuche dieses Wort tatsächlich auch zu vermeiden, rede von Nicht-Schweizern, von Menschen ohne roten Pass oder ähnlichem. Tatsächlich sollten wir deswegen auch von den Menschenrechten sprechen, von den Bürgerrechten, die allen Menschen zustehen, welchen Pass auch immer sie haben.

Ist allgemein die Debatte in der Schweiz betreffend Ausländerfragen nicht zu emotional und zu wenig sachlich, oder gehören Emotionen dazu?

Emotionen gehören dazu und lassen sich nie vermeiden. Schlimm wird es, wenn sie dominieren oder überhand nehmen. Dann kommt die Ver­nunft zu kurz und eine Debatte zur Findung einer gemeinsamen ver­nünftigen Entscheidung wird unmöglich. Deshalb braucht es eine gros­se breite politische Öffentlichkeit, welche die eigenen Schwächen re­flektiert und so Emotionen zu relativieren lernt.

Wie erklären Sie sich den Röstigraben betreffend Ausländerstimmrecht. Was zeigt dieser?

Alte Minderheiten haben mehr Empathie für neue Minderheiten; sie kön­nen sich besser in sie hineinfühlen und identifizieren sich sogar mit ihnen. Zudem sind die Westschweizer dem Geburtsort der Menschen­rechtserklärung näher und haben viel mehr von ihr gehört als die meisten Deutschschweizer.

Oft wird in der Schweiz fehlendes Engagement in kommunaler Politik bemängelt. Könnte ein Ausländerstimmrecht mit passivem Wahlrecht das Milizsystem stärken und so entgegenwirken?

Der Grad der Beteiligung wird aus verschiedenen anderen Gründen lan­ge Zeit das Niveau der Einheimischeren nicht erreichen. Deshalb ist es auch kein Allheilmittel. Zudem hat das Milizsystem sowieso aus­ge­dient angesichts der Erfordernisse des Berufsalltags. Doch könnten die Communities der Immigranten ein intakteres Solidaritätsgefühl haben und einbringen in die schweizerische Gesellschaft, was dieser nur gut tun kann.

Analysen in Kantonen mit Ausländerstimmrecht haben gezeigt, dass die stimmberechtigten Ausländer wenig Interesse zeigen am Aus­län­derstimmrecht. Wieso ist das Ausländerstimmrecht trotzdem eine Notwendigkeit?

Weil Prinzipien und Grundrechte allen zustehen und nicht optional gewährt werden. Schweizer Männer werden auch nie gefragt, ob sie stimmen wollen – auch nachdem sie zehn Jahre lang nie gestimmt haben.

Was entgegnen Sie jenen, die sagen, Sie wollen nur davon profitieren, dass Ausländer eher links wählen?

Ganz einfach, es stimmt nicht. Alle Untersuchungen zeigen, dass ver­schiedene profitieren und oft noch gleichmässig; und unter den Einge­bürgerten gibt es sogar besonders viele SVP-Fans. Linke haben es immer schwer; nur Nicht-Linke können dies nicht wissen, weil sie sich ausserhalb der schnellen falschen Antwort nicht um die Realitäten kümmern wollen.

Sind irgendwelche Argumente unerwähnt geblieben, die Sie gerne noch ansprechen würden?

Nein, der Katalog ist eher schon zu lang und würde eigentlich ein Pfund Pralinen (Schwarze Trüffel für den Fall) als Geschenk gerade jetzt vor Weihnachten dringlich machen.

Zusammenfassend: Was ist Ihr wichtigstes Argument?

Menschenrechte sind endlich auch in der Schweiz ernst zu nehmen.

Hat die Flüchtlingskrise Einfluss auf diese Debatte? Sollte sie keinen Einfluss auf die Debatte haben?

Nein, das sollte sie nicht, hat sie aber dennoch. Weil hierzulande alles Fremde immer viel zu sehr vermischt wird: Ob Flüchtling, Asyl­be­wer­ber, Ausländer, Fremdsprachiger, Einwanderer – alles ist irgendwie anders, somit ist alles falsch. Wer nichts ist oder sich als nichts fühlt, kann sich ob des Anderen Sein nicht freuen, ja er kann den Anderen kaum dulden.

In den letzten Jahrhunderten wurde die Demokratie stets weiter­ent­wickelt. Juden wurden mit einbezogen, das Stimmrechtsalter wurde gesenkt. In vielen Ländern, einigen Schweizer Kantonen und vielen Kirchgemeinden gibt es bereits ein Ausländerstimmrecht. Das Frau­en­stimmrecht ist heute eine Selbstverständlichkeit. Ein klarer Trend ist erkennbar. Wagen Sie eine Prognose: Wird sich das Ausländer­stimm­recht mit der Zeit sowieso etablieren und in ein paar Jahrzehnten selbstverständlich sein?

Wir werden in den kommenden sieben Jahren weitere Regressionen erleben müssen; doch dann könnte es zur Schubumkehr kommen und der von Ihnen gesehene positive Trend könnte weiter gehen, inklusive der Demokratisierung des Transnationalen, der Einrichtung der Demo­kratie auf der überstaatlichen Ebene (EU, UNO).


Kontakt mit Andreas Gross



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