5. Sept. 2015
Maturaarbeit
Matthias Winet
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Das schlechte Image wird viel länger anhalten als die Missstände, die dazu geführt haben
Interviewfragen von Matthias Winet, leidenschaftlicher Fussball-Fan für seine Maturarbeit in Ausser-Schwyz
Da der FIFA-Sitz in Zürich ist, profitieren viele Unternehmen wirtschaftlich. Auch die Schweiz als Ganzes profitiert, weil die FIFA freiwillig Steuern bezahlt. Die vielen Korruptionsfälle belasten die Stadt Zürich und die Schweiz. Nimmt nun das Image der Schweiz einen zu starken Schaden und was können die Politiker dagegen unternehmen?
Das Image der Schweiz als Hort des schmutzigen Geldes und als Bank der Reichen und Kriminellen besteht seit Jahrzehnten und wurde vor allem durch das Bankgeheimnis genährt. In diesem Sinn haben sich viele kritische Menschen durch die Darstellung der FIFA nur bestätigt gefühlt; ein weiterer Schaden liess sich da gar nicht mehr anrichten. Wer dieses Image überwinden möchte, muss viel Geduld haben. Denn es wird viel länger anhalten als die Missstände, die zu ihm geführt haben. Das Bankgeheimnis ist ja praktisch abgeschafft; die Gesetzgebung zur Bestrafung auch privater Korruption wird hoffentlich verschärft und auch die grossen internationalen Sportverbände in der Schweiz könnten einem besonderen Gesetz unterstellt werden, dass sie zu mehr Transparenz, anständiger Buchhaltung und zur Verbesserung interner demokratischer Entscheidungsprozesse veranlasst.
In der Politik kommt die Diskussion auf, dass die FIFA neu Steuern bezahlen muss und nicht wie bisher freiwillig. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
In dem oben genannten neuen Gesetz sollte auch die Besteuerung der in der Schweiz ansässigen grossen internationalen Sportverbände (Fifa, Olymp. Komitee, Eishockeyverband) mit mehr als einer Milliarde Franken Umsatz jährlich geregelt werden und eine Pflicht sein. In der Festlegung der Steuersätze muss gewiss den besonderen Umständen der Generierung der Einkommen Rechnung getragen werden; doch ganz aus der Steuerpflicht entlassen werden sollten sie nicht.
Die FIFA erlaubt im beschränkten Rahmen die Zulassung von Geschenken, die die Bewerberteams verteilen. Jedoch ist der Wert dieser «Werbegeschenke» ziemlich hoch. Bei dem Bewerberteam Japan 2022 zum Beispiel bis zu 2‘000 USD. Müsste da die FIFA Ihrer Meinung nach etwas daran ändern, um ein faires Wahlverfahren zu garantieren?
Das ist meines Erachtens nicht das wesentliche Problem dieser Auswahlverfahren. Über die entsprechenden Höhen kann man gewiss diskutieren. Wichtiger wäre, sicher zu sein, dass es keine Grauzonen gibt mit verdeckten Geschenken und Zusicherungen, die auch wertmässig viel weiter gehen.
Was war Ihrer Meinung nach der verrückteste, gravierendste Korruptionsskandal in dem Wahlverfahren für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022?
Dass offenbar von beiden Gewinner-Staaten einerseits Millionen an potentielle Wähler gezahlt wurden und andererseits sich Staatschefs einspannen liessen zum Lobbying, weil ihrem Staat wiederum Milliarden-Aufträge aus den Organisationsländern offen standen.
Würden Sie die Weltmeisterschaften in Russland 2018 und dann 2022 in Katar den Austragungsorten entziehen?
Selbst wenn ich dies aus menschenrechtlichen und Antikorruptions-Motiven wollte, wäre dies eine Illusion. Denn in den Verträgen mit Russland steht nichts von Menschenrechten und dass Russland das Völkerrecht achten muss. Und in Sachen Katar dürfte es fast unmöglich sein, ohne dass die mit einer Entziehung verbundenen Reparationszahlungen die FIFA bankrott gehen liessen.
Wie beurteilen Sie die Länge der Sanktionen, die die FIFA aufgrund einer Verletzung des Ethikreglements verteilt? (Z.B. Herr Amadu wurde für drei Jahre gesperrt und ist schon wieder in der FIFA tätig. Und auch wieder in einen Korruptionsfall verwickelt im Zusammenhang mit der Bewerbung Katars.)
Da kann man gewiss strenger sein. Ich würde auch schneller einen Wiederholungstäter lebenslang aus dem Fussballgeschäft verbannen. Das schreckt am meisten ab und wirkt so präventiv.
Sind Sie der Meinung, dass die Task Force, die die FIFA eingeführt hat, die FIFA reformieren kann, obwohl sehr einflussreiche Personen in der FIFA (z.B. der Vize) sich korrupt verhalten haben?
Sie könnte einiges, die Frage ist bloss, was sie will und ob sie wirklich was Wesentliches will. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch einige Mitglieder lassen gewiss Zweifel aufkommen.
Würde ein neuer Präsident und neuer Führungsstab die FIFA besser lenken?
Der alte Präsident hat in den letzten fünf Jahren einiges gut gemacht. Eine neue Equipe kann auch künftig viel gut machen. Ob aber alles besser werden kann im internationalen Fussballgeschäft, darf bezweifelt werden. Da wollen auch in Europa zu viele vor allem gute Geschäfte machen.
Welche Korruptionsfälle hat Herr Blatter Ihrer Meinung nach mitbekommen und wieso tut er nichts dagegen? (Stattdessen schützt er sie und redet von seiner «Familie».)
Das weiss ich wirklich nicht. Ich werde ihm nach seinem Rücktritt diese Frage auch stellen und nach seinen Antworten auch weiter nachfragen. Heute weiss ich zu wenig, um etwas dazu sagen zu können.
Gibt es überhaupt eine faire, nicht korrupte Lösung für das Wahlverfahren einer Weltmeisterschaft?
Es gibt bestimmt Möglichkeiten, die Auswahlverfahren weiter zu verbessern und sauberer zu machen. Totale Sauberkeit ist möglicherweise eine konkrete Utopie. Doch mal sollte sie anstreben und sich ihr annähern; das wäre ein Fortschritt.
Ich habe die Idee, dass die Austragungsorte für die Weltmeisterschaften ausgelost werden sollten, damit es einen fairen Gewinner gibt. D. h. die Länder könnten sich bewerben und eine unabhängige Kommission, wie die Evaluierungsgruppe, entscheidet, ob es möglich wäre, dort eine Weltmeisterschaft auszutragen. Unter den möglichen Bewerbern wird dann ausgelost. Aber die Weltmeisterschaft darf nicht hintereinander auf demselben Kontinent stattfinden. Um die Anzahl Lose zu verkleinern, könnten die einzelnen Konföderationen nur ein Land ins Rennen schicken. Was halten Sie von meinem Vorschlag?
Schlussendlich das Los unter den Kandidaten entscheiden zu lassen ist durchaus eine Möglichkeit, die genauer untersucht werden sollte. Ihre letzte Bedingung öffnet aber bereits wieder ein Türchen für Korruption trotz des Loses. Denn die Entscheidungsverfahren in den Konföderationen sind ja oft gerade das entscheidende Problem; wir müssten also auch dort saubere Evaluationen garantieren können, was heute nicht der Fall ist. Aber Ihre Idee lohnt sich, weiter präzisiert und im Detail ausgearbeitet zu werden.
Kontakt mit Andreas Gross
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