10.09.2014

CS-Bulletin

Die Demokratie ist ein Gesamtkunstwerk
mit mindestens zweihundert Mosaiksteinchen,
die alle in Bewegung sind



Die Fragen stellte David Schnapp, beantwortet wurden sie von Andreas Gross, Politikwissenschaftler, Leiter des Ateliers für Direkte Demokratie in St-Ursanne, Internationalrat.

Ist die Schweiz das demokratischste Land der Welt?

Nicht unbedingt. Es kommt ganz darauf an, was man unter Demokratie versteht; beziehungsweise welche Mosaiksteine aus dem Gesamt­kunst­werk Demokratie man betont. Die Schweiz ist Spitze für all jene, welche die partizipative Entscheidungsmacht der Bürgerinnen und Bürger in der Verfassungs- und Gesetzgebung betonen. Wer die Demokratie nicht nur als Sonntagsdemokratie versteht, sondern auch am Werktag, an der Arbeit, Demokratie einfordert, für den ist die Schweiz höchstens im Mittelfeld.

Lässt sich der Grad der Demokratisierung eines Landes/einer Gesell­schaft messen?

Darum bemühen sich seit einigen Jahren zahlreiche verschiedene Forscher auf der ganzen Welt. Einen gemeinsamen, alle über­zeu­gen­den Massstab gibt es noch nicht. Für mich ist die Demokratie wie gesagt ein Gesamtkunstwerk, und zwar eines mit mindestens zwei­hun­dert Mosaiksteinchen, die alle in Bewegung sind. Für jedes Land lässt sich die momentane Qualität jedes Steinchens beurteilen und so der Demokratisierungsgrad jedes Landes bestimmen.

Und welche Länder/Gesellschaften schneiden gut ab?

Das kommt wie gesagt auf die Gewichtung der einzelnen Mosaik­stein­chen an. Wer den gerichtlichen Grundrechtsschutz betont, für den ist Deutschland Spitze. Wer ergebnisorientiert die allgemeine Lebens­qua­li­tät hoch gewichtet stellt Dänemark und Kanada an die Spitze. Wer die Chancengleichheit der Geschlechter betont, sieht Schweden und Norwegen an der Spitze.

Was fehlt der Schweiz, um noch demokratischer zu werden?

Sie müsste die «Ausländer», vor allem die in der Schweiz geborenen unter ihnen, weniger ausschliessen von der Demokratie. Sie sollte auch in den Unternehmungen demokratische Mitbestimmungsrechte ein­füh­ren. Sie müsste den von allen erarbeiteten Reichtum besser unter allen teilen lernen. Sie müsste für mehr Chancengleichheit unter den Kindern sorgen. Sie müsste die Kompetenzen des Bundesgerichtes erweitern, so dass die Grundrechte und die Rechte von Minderheiten besser geschützt wären.


Kontakt mit Andreas Gross



Nach oben

Zurück zur Artikelübersicht