20. Dez. 2012
Weltwoche
Meinungswechsel
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Vom Erfolg geblendet?
Von Andi Gross
Wie der FC Basel im Frühherbst den Trainer Heiko Vogel von einem Tag auf den anderen vor die Türe setzte, war für mich ebenso unverständlich wie unannehmbar. -- Unmenschlich, asozial, unangemessen. War jetzt auch der FCB, «unser FCB», von der herrschenden Brutalität und kalten Profit-Logik der Wirtschaftswelt erfasst worden? Heiligte jetzt auch im FCB der Zweck alle Mittel?
Der neue Trainer modifizierte das System ebenso wie die personelle Zusammensetzung der Equipe. Das Team spielt tatsächlich oft schöner und besser, mit mehr Zug, mehr Freude und mehr Speed. Die Resultate sind entsprechend; noch besser als in Vogels Sommer. Der FCB ist wieder dicht an der helvetischen Spitze dran und überwintert europäisch.
Ich besuche wieder Spiele des FCB – nach Vogels Rausschmiss hatte ich mir totale Abstinenz geschworen. Habe ich mich damit nun auch dem Erfolgs-Diktat unterworfen? Bin ich damit den (Un-)Werten erlegen, denen Heiko Vogel geopfert wurde? Habe ich mich als utopischer Idealist erwiesen, der noch nicht begriffen hat, dass auch der Fussball einfach ein Geschäft ist und im Geschäft andere Regeln gelten als Rücksichtnahme und Menschlichkeit?
Ein Trost bleibt: Der Zweifel kann auch im Fussball als Quelle zum besseren Verständnis der Wirklichkeit dienen.
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Es seien dem Setzer hier wieder mal ein paar Anmerkungen erlaubt.
Zunächst einmal: Aber natürlich ist auch der FCB von der herrschenden Profit-Logik erfasst worden. Und dies nicht erst neuerdings, sondern schon seit Jahrzehnten. Die Art, wie Frau Oehri diesen Verein finanziell unterstützt, vermochte diesen Prozess zwar vielleicht ein bisschen abzufedern, dennoch ist die Profit-Logik im Geschäft Fussball, und somit auch beim FCB, das zentrale Element. Nicht erst seit Blatter Sepp.
Aber sei’s drum: Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass Du Dich dem Diktat des Erfolges unterwirfst, wenn Du Dir jetzt wieder Spiele des FCB anschauen gehst. – Du hast ganz einfach Spass am Fussball und Du bist ein Fan des FC Basel. Deswegen verzeihen die Fans ihren Vereinen stets praktisch alles. Eben weil sie Fans sind. Punkt.
Was ich aber gefährlich finde: Weshalb stellst Du den «utopischen Idealisten» in einen negativen Kontext? Zitat: «Habe ich mich als utopischer Idealist erwiesen, der noch nicht begriffen hat …». Gefährlich deshalb, weil Du Dich da nun tatsächlich einem Diktat unterwirfst – einem (nicht zuletzt von der SVP-Weltwoche) diktierten Diskurs, der die Utopie als blossen Traum und den Idealisten als naiven Menschen darstellt.
Zuallererst ist die Utopie eine der wichtigsten Energiequellen für unser Denken. Sie ist aber auch die kreativitätsfördernde Zwillingsschwester der geschichtlichen Analyse, unseres historischen Bewusstseins. Und nicht zuletzt ist sie so etwas wie ein wundervoll perfektes Portal, durch das wir Ideen schicken und betrachten können, die vielleicht einmal Wirklichkeit oder von dieser sogar noch übertroffen werden. Die Utopie ist also etwas Positives, extrem Praktisches und Notwendiges. Und auch der Idealist, betrachtet man ihn nur als solchen, ist ja grundsätzlich ein guter Mensch und feiner Denker (wie notabene auch jemand, der aufrichtig nett ist).
Auch ich schliesse meine Anmerkungen, die nun länger geworden sind als der kommentierte Text (man hat Dir ein Limit von 800 Zeichen gesetzt) mit einem Trost: Ich weiss, dass Du, lieber Andi – ich bin mir ganz sicher – diesbezüglich mit mir einig bist.
Fredi Krebs
Kontakt mit Andreas Gross
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