3. Okt. 2012

Korrespondenz

Von Rück- und Unterzügen


Eine Anfrage des Tages-Anzeiger:

Guten Tag Herr Gross, ich gelange an Sie im Zusammenhang mit Ihrem geplanten Abgang aus dem NR auf 2015 hin. Sie sagen heute im TA, Sie hätten "ein falsches Reglement im Kopf gehabt".

1. Meines Wissens gibt es kein Reglement, das die Reihenfolge bei der Präsidiumsbesetzung bestimmt. Vielmehr besteht eine Vereinbarung zwischen den grossen Fraktionen. Welches Reglement haben Sie denn gemeint?

2. Gemäss Turnus und Informationen von Daniel Zehnder sind 2014 die Liberalen an der Reihe mit dem Präsidium. Ein Blick zurück: 2008 bis 2009: Sozialdemokraten. 2010 - 2011: Europäische Demokraten 2012 - 2013: Christliche Volksparteien 2014 - 2015: Liberale, 2016 - 17: Sozialdemokraten. Wieso haben Sie jemals damit gerechnet, dass 2014 die Sozialdemokraten an der Reihe sind?

3. Im Raum steht der Verdacht, Sie hätten die DV der SP Zürich getäuscht, als Sie für Ihre Wiedernomination auf der SP-Liste damit geworben haben, 2014 das Europaratspräsidium übernehmen zu können. Was entgegnen Sie hierauf?

Ist es Ihnen möglich, diese Fragen heute Nachmittag zu beantworten? Besten Dank! Freundliche Grüsse
Stefan Häne

Lieber Herr Häne,

1. Es geht um eine Vereinbarung zwischen den Fraktionspräsidenten, nicht um ein Reglement.

2. Ihr Blick reicht nicht weit genug zurück. 2008 wären die EuDem daran gewesen auf Grund der dann geltenden Vereinbarung, dass die kleinen beiden Fraktionen immer dann zum Zuge kommen, wenn die beiden grossen daran gewesen sind. Dann wollte man aber den Kandidaten der EDG, einen Russen, nicht, und beschloss deshalb, die Sozialdemokraten vorzuziehen, dann einen EDGler folgen zu lassen und nach dem darauf folgenden CVPler wieder die Liberalen zum Zug kommen zu lassen. Das heisst, man rückte so von der alten Regel: 2 Grosse und dann einer der beiden Kleinen ab, und dies war mir als einer, der seit 1995 in Strassburg arbeitet und die alte Vereinbarung im Kopf hatte, bis Ende Juni nicht klar. Entsprechend habe ich bis dann immer das gesagt, was ich fälschlicherweise meinte zu wissen, so auch an der DV. -- Aber ich habe immer betont, dass eine Chance besteht und keine Garantie.

2017 muss dann auch wieder eine neue Vereinbarung für die Zukunft gefunden werden.

Die Tatsache, dass man die alte Vereinbarung kurzfristig änderte auf Grund neuer Umstände, ist ein Hinweis darauf, dass man auch die neue, bei Bedarf und Konsens wieder ändern kann. Deshalb war es legitim, auch nach dem Erkennen des Irrtums im Sommer zu sagen, es beständen immer noch, wenn auch kleinere Chancen, weil meine Arbeit im Europarat als Rapporteur von grossen Fragen und als Fraktionspräsident parteiübergreifend sehr geschätzt wird.

Definitiv wird dies in einem Jahr entschieden sein.

3. Es gibt immer Leute, die Anderen unterstellen, sie würden nicht die Wahrheit sagen oder bschisse. Es gibt sie auch in der Politik. Ich gehöre nicht zu diesen, weil ich selber auch nie in einem politischen Zusammenhang die Unwahrheit sagte oder einen Unterzug machte.

Wie gesagt hing meine Wiedernomination auch nicht davon ab, auch wenn dies medial teilweise in den Vordergrund gestellt wurde. Ebenso hat dazu beigetragen, dass ich mich als Ständeratskandidat zurückzog und dass meine Arbeit in Sachen Demokratie ebenso geschätzt wie weiter gefragt ist in der SP.

Ich bitte Sie, dazu auch den neuen Präsidenten der SP ZH, Daniel Frei, zu sprechen, der damals als Generalsekretär dabei war und um alles genau weiss. Über meine Wertschätzung im Europarat ist auch die FDP-NR Fiala gerne bereit Auskunft zu geben.

Und bitte denken Sie bei all diesem auch daran, dass hier in Strassburg Schweizer sind, die nur hier sind, um das europäische Engagement anderer Schweizer zu Hause schlecht zu machen und die alles tun, um zu verhindern, dass Europa in der Schweiz präsenter wird.

Und aus dieser Korrespondenz macht der TA folgendes:

Hat Gross seine Genossen getäuscht? Der SP-Nationalrat bestreitet dies. Er habe „nie in einem politischen Zusammenhang die Unwahrheit“ gesagt oder einen „Unterzug“ gemacht, versichert er. Dass er wiederholt erklärt hat, er habe Chancen auf das Präsidium 2014, begründet er mit einem „persönlichen Irrtum“. Laut Gross war die Usanz im Europarat bis 2008 so, dass nach den beiden grossen Fraktionen – der SOC und EVP-CD – immer eine der beiden kleinen – EDG und ALDE – zum Zug kommt. 2008 war die EDG an der Reihe. Deren Kandidaten, einen russischen Parlamentarier, wollte der Europarat aber nicht, weshalb er beschloss, einen Sozialdemokraten vorzuziehen. Die EDG kam in der Folge zum Handkuss, von 2010 bis 2012. Gross ging davon aus, dass nach der kleinen Fraktion EDG wieder die zwei grossen Fraktionen drankommen, also die EVP-CD, wie dies nun bis Ende 2013 der Fall ist. Und ab 2014 die Sozialdemokraten. Man habe die alte Vereinbarung im November/Dezember 2007 aufgrund des neuen Konsens (neuer Umstände) kurzfristig geändert, sagt Gross. Für ihn ist das ein Hinweis darauf, „dass man auch die neue, bei Bedarf und Konsens wieder ändern kann“. Aus seiner Sicht ist es deshalb legitim, dass er auch nach dem Erkennen seines „persönlichen Irrtums“ im Sommer 2011 weiterhin sagte, es bestünden immer noch, wenn auch kleinere Chancen aufs Präsidium. Dies umso mehr, „weil meine Arbeit im Europarat als Rapporteur von grossen Fragen und Fraktionspräsident parteiübergreifend sehr geschätzt wird“.

(Anmerkung Häne): Und gestatten Sie mir eine letzte Frage: Welcher Schweizer macht denn im Europarat das europäische Engagement welcher Schweizer schlecht?

Darauf die Antwort von AG:

Lieber Herr Häne

Die Art und Weise der indirekten Rede setzt mich auf die Anklagebank, wo ich keinen Platz nehmen muss. Es ist zu verdichtet (die von mir in Ihrem Text unterstrichen eingefügte Präzisierung ist im Minimum nötig) und wäre in der originalen Frage-und-Antwort-Auseinandersetzung viel besser.

Sie sagen auch nie, dass es um eine Vereinbarung der Fraktionspräsidenten handelt, und dass ich 2008, also nach der neuen Vereinbarung, eben ein solcher Fraktionspräsident geworden bin und dass meine Arbeit hier sehr geschätzt und in der Schweiz, auch im TA, nicht erwähnt wird. So interessieren Sie sich derzeit nur für diese Verunglimpfungen, während überall sonst in Europa über den 70-seitigen Bericht diskutiert wird, den ich monatelang erarbeitet habe, ebenso wie über die sechsstündige Diskussion, nach der ich gestern eine grosse Mehrheit bekommen habe.

Maximilian Reimann ist wohl die Speerspitze dieser Bemühungen und dies seit Jahren, ohne dass er auch nur einen einzigen Bericht erarbeitet hätte - in einer Zeit, in der ich etwa 10 vorlegte.


Kontakt mit Andreas Gross



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