7. März 2012

Maturarbeit
Laura Salathé
Gym Liestal BL

Wir wollten schwierigen Fragen radikal
auf den Grund gehen und die Schweiz bewegen



Alle Fragen beziehen sich auf die nationale Partei

Person

Wie alt sind Sie und in welcher Zeitspanne waren Sie Präsident der Juso? Wie lange waren Sie insgesamt in der Juso aktiv?

Heute bin ich 59; 1974 mit 22 bin ich gleichzeitig der SP und den Jusos bei­ge­treten und blieb bei den Jusos bis 1983. Präsident der schweizerischen Jusos war ich von 1979-1983.

Wie aufwendig war der Job des Präsidenten früher?

Das ist nicht ganz genau festzulegen, weil es darauf ankommt, was man alles mitzählt. Aber ich habe gewiss durchschnittlich 20 Stunden pro Woche für die Jusos oder in ihrem Zusammenhang gearbeitet.

Wie viel Verantwortung lag beim Präsidenten und bei der Parteileitung?

Von einer Parteileitung haben wir damals nie gesprochen. Wir hatten einen Juso-Schweiz-Vorstand, der sich regelmässig traf. Doch die Push- und Animations-Funktion des Präsidenten war schon sehr wichtig und übergab ihm eine grosse Verantwortung.

Wurden Sie entlohnt?

Gewiss nicht. Nicht einmal die Zugspesen wurden entschädigt. Ab und zu bekam ich für einen Vortrag, Zeitungsartikel oder eine Diskussionsteilnahme von den Veranstaltern eine Flasche Wein, einen Büchergutschein oder ein Honorar von 100 Franken.

Zielsetzung der Partei

Wie würden Sie die Hauptziele der Juso in der Zeit Ihres Präsidiums definieren?

Als Partei wollten wir die Jusos nie verstanden wissen, auch nicht als Jung­partei. Wir verstanden uns als linke Jugendbewegung, welche eine originelle und kreative, kritische Politik machen wollte, dabei Fragen aus unserer konkreten Lebenswelt aufnehmend, schwierigen Fragen radikal auf den Grund gehend und Ideen und Projekte zur Diskussion stellend, welche die Schweiz bewegen und ihre Lebenswirklichkeit gerechter, demokratischer und friedlicher machen würden.

Wie versuchten Sie diese Ziele durchzusetzen?

Das Wort durchsetzen benutzten wir nicht. Wir wollten überzeugen, sensibilisieren und so Mehrheiten für Veränderungen und Reformen gewinnen. Einerseits arbeiteten wir viel untereinander an Wochenenden, Seminaren, Versammlungen. Nach aussen organisierten wir viele Diskussionen, Demonstrationen, originelle Aktionen und auch kommunale, kantonale oder eidgenössische Volksinitiativen.

Wie oft nahm die Juso an Demonstrationen teil?

Da gibt es keine statistische Antwort. Denn wir funktionierten sehr dezentral, sogar individualistisch, legten nicht viel Wert auf offizielle Unterstützung. Unzählige male haben Jusos damals an Demos mitgewirkt, vor allem ging es dabei um Anti-AKW-, Friedens- und Jugendpolitik.

Lancierten Sie Initiativen? Wenn ja, welche und wie oft?

In der Stadt Zürich lancierten wir 1980 die erfolgreiche POP-Initiative, gemäss der ein Prozent der Kulturbudgets der Stadt pro Jahr zur Unterstützung der Pop-, Rock-, Jazz- und Folkmusik ausgegeben werden soll. Auf Bundes­ebene bereiteten wir ab 1980 die Lancierung der Schweiz ohne Armee-Initiative vor, für die die Jusos aber in Gestalt der GSoA mit anderen zusammen eine eigene Trägerschaft schufen. Es dürfte aber kantonal und kommunal noch einige andere Volksinitiativen (Gegen den Autoverkehr beispielsweise, für das Ausländerstimmrecht u.a.m.) gegeben haben.

Wie wichtig war der gesellige Aspekt in der Juso? Wurden manchmal auch reine Spasszusammenkünfte veranstaltet?

Der gesellige Aspekt war sehr wichtig. Wir wollten unbedingt Politik auch lustvoll verstanden haben und entsprechend leben. Dies im Unterschied zu dem, was in anderen linken Gruppen und der SP passierte. Doch reine Spasszusammenkünfte, wie Sie das nennen, haben wir nie gemacht – es sollte immer einen politischen Vektor geben. Doch die Politik machte uns so Spass!

Kommunikation

Wie versuchten sie medial auf sich aufmerksam zu machen?

Selbstverständlich, aber ohne uns der schlagzeilenfördernden Skandalisie­rungs-, Simplifizierungs- und Konfliktualisierungstendenzen anzupassen. Wir taten dies vor allem mit der Kreativität und Originalität von Ideen, mit Aktionen und Aufsätzen, weniger mit simplen Communiqués – für uns das Symbol des trockenen Polit-Establishments.

Bekamen sie als Jungpartei viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit?

Als solche kaum. Es kam immer auf die Qualität der Ideen und Projekte an.

Bekamen Sie als Präsident viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit?

Nach der Lancierung der Armeeabschaffungsidee relativ viel, ebenso durfte ich immer wieder Artikel schreiben.

Wie wurden die Mitglieder über Sitzungen etc. informiert?

Wir bemühten uns sehr um unsere Zeitung (Infrarot), unsere Rundbriefe und Infos, mit denen wir möglichst viele auf einem ähnlichen Informations- und Einsichtsstand halten wollten, was eine Voraussetzung ist für echte organisationsinterne Demokratie.

Finanzierung

Wie finanzierte sich die Juso früher?

Von Spenden, Mitgliederbeiträgen und dem Verkauf von Presseerzeugnissen. Die SP unterstützte uns nur indirekt, in dem wir in deren Lokalen tagen und arbeiten konnten.

Wie hoch war ein Mitgliederbeitrag?

Zwischen 50 und 100 Franken, einkommensabhängig.

Wie viel Geld hatte die Juso jährlich zur Verfügung?

Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es dürften um die 20'000 Franken im Jahr gewesen sein.

Mitgliederstruktur

Wie viele Mitglieder hatte die Juso in der Zeit Ihres Präsidiums?

Das ist nicht so einfach zu erinnern; vor allem weil wir wenig Gewicht auf Passivmitglieder legten und vor allem Aktive motivieren und mobilisieren wollten. Es entstanden zwischen 1979 und 1982 jedenfalls zahlreiche neue Sektionen und etwa 600 Jusos waren aktiv in der ganzen Schweiz.

Können Sie die Mitglieder Ihrer Partei kategorisieren? Was waren das für Menschen? Was taten sie beruflich? Wie hoch war das Durchschnittsalter?

Wir hatten viel weniger Studenten als noch sechs/sieben Jahre zuvor. Wir bemühten uns sehr um Berufsschüler, Lehrlinge und junge Handwerker. Die Altersspanne reichte von 16 bis ca. 29, mit dem Schwerpunkt bei 21-24. Die Mehrheit war in der SP nicht sehr aktiv, dafür noch in anderen sozialen Bewegungen.

Wie viel Prozent der Mitglieder waren Frauen?

Etwas mehr als ein Drittel.

Verhältnis zur Mutterpartei

Wie würden Sie das Verhältnis zur SP beschreiben?

Gespannt, kritisch, eher distanziert. Vor allem als die Armeeabschaffung im Vordergrund stand. Doch es ging uns weniger um das Verhältnis zu den eidgenössischen Instanzen, wir wollten auch nicht unbedingt in der SPS-GL sein oder in einem Parlament, sondern um die Beziehung zu den SP-GenossInnen in den Sektionen und an der Basis. Da hatten wir immer gute Kontakte und es gab viele Formen der engen Kooperation. Uns graute eher vor der Arbeit in den Parteigremien und den Parlamenten, wir dachten, das sei etwas für später, wenn der Charakter und die politische Persönlichkeit gefestigter und resistenter ist gegenüber falschen Vereinnahmungen und intellektuellen Verarmungen.

Wie viel Einfluss hatte die Mutterpartei auf die Juso?

Praktisch keinen.

Wie viel Einfluss hatten Jungparteimitglieder in der Mutterpartei?

Als Jungpartei an sich war der klein; er mag je nach einzelnen Jusos und ihrem Engagement an denjenigen Orten und Gremien, in denen sie aktiv waren, grösser gewesen sein.

Jetzt im Nachhinein betrachtet; denken Sie Ihre Jungpartei war für viele ein Sprungbrett in die Mutterpartei?

Der Begriff Sprungbrett trifft die Sache nicht. Es ging um Annäherungen an etwas für viele Fremdes, um das Kennenlernen von Menschen und einer Organisation und einer für viele fremden Welt. Das ist für viele gewiss passiert, die Mehrheit der damaligen Jusos wurden SPler – ob sie es aber auch bis heute geblieben sind, weiss ich nicht. Andere engagierten sich an anderen Orten.

Dachten Sie früher gleich darüber?

In dieser Beziehung hat sich meine Einschätzung nicht geändert. Ich denke nicht, dass die Juso auf die SP fixiert sein sollte; ihre Mobilisierungschancen sind am grössten, wenn sie autonom und sehr offen ist für alle, die sich für eine linke politische Arbeit interessieren.

Fazit

Wie gross war das politische Interesse der Jugend Ihrer Generation?

Das kommt ganz auf den Generationenbegriff an. Bei Jugendlichen ändern sich Zeitgeister schneller als in einer Generation, die normalerweise 20 Jahre umfasst. Vor 1980 waren viele Jugendliche weniger politisch, nach 1980 änderte sich dies etwas, wenn auch Parteipolitik lange eher verpönt war. Verallgemeinerungen sind nicht statthaft. Man muss zeitlich und örtlich die Frage wohl präzisieren, um adäquater zu antworten.

Welche Unterschiede sehen Sie, wenn Sie Ihr Engagement früher mit demjenigen der aktuellen Jungparteien vergleichen?

Da gibt es einiges zu sagen, auch wenn ich eingestehen muss, dass ich die Jusos heute nicht mehr so genau kenne wie früher, weil der heutige Blick einer von aussen ist. Doch mir scheint, dass heute:

- die Jusos viel näher in und bei der SP aktiv sind, ihre Akti­vi­täten teilweise ganz auf diese beziehen, ja sich sogar in fraktions- und parlamentsinterne Parteiangelegenheiten ein­mi­schen wollen;

- viel fixierter sind darauf, in den SP-Gremien und den Parla­menten aktiv zu sein;

- sehr schnell oberflächliche Medienspektakelbedürfnisse zu bedienen bereit sind;

- eher aggressiv und oberflächlich sich mit Andersdenkenden auseinandersetzen und unnötig viel Geschirr zerschlagen;

- sich mehr Jugendliche offenbar in den Jusos zu Hause und dies soll wohl diese Differenzen legitimieren;

- die Jusos sich weniger um die Geschichte, die Theorie und die Philosophie bemühen und dafür die schnelllebige Effekte- und Schlagzeilen-Apparatur bedienen und sich an ihr orientieren.


Kontakt mit Andreas Gross



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