11. Jan. 2011
Tages-Anzeiger
Zürich
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Andreas Gross winkt Europarats-Präsidium
Von Felix Maise und Iwan Städler.
Mit Andreas Gross könnte erstmals seit über 40 Jahren ein Schweizer Präsident des Europarats werden – aber nur, wenn er als Nationalrat wiedergewählt wird. Dafür müsste ihn die Zürcher SP erst nominieren.
Zusammen mit Dick Marty gehört Andreas Gross zu den engagiertesten Schweizer Abgeordneten im Europarat. Er hat sich in Strassburg in den letzten 15 Jahren einen ausgezeichneten Ruf weit über die Partei- und Landesgrenzen hinaus erworben. Die Chancen stehen gut, dass Gross für die Jahre 2014 und 2015 zum Europarats-Präsidenten gewählt wird – jedenfalls wenn es nach dem Europarat geht.
In drei Jahren stellt nämlich turnusgemäss die sozialistische Fraktion, die von Gross angeführt wird, den Präsidenten. Und das Amt des Fraktionschefs ist traditionsgemäss Sprungbrett fürs Präsidentenamt: Die letzten Sozialisten im Präsidium – die Spanier Lluís Maria de Puig und Miguel Ángel Martínez sowie der Österreicher Peter Schieder – waren zuvor allesamt Fraktionschef.
Auf Augenhöhe mit den Grossen
Gross wäre der erste Schweizer Europarats-Präsident seit über 40 Jahren. Bisher hatte erst ein Eidgenosse das hohe Amt inne: der Genfer Liberale Olivier Reverdin von 1969 bis 1972. Gross würde das inzwischen alle zwei Jahre wechselnde Mandat gerne ausüben, wie er sagt: «Weniger der Ehre wegen, als vielmehr, weil es die Möglichkeit eröffnet, auf Augenhöhe mit allen Regierungen der Mitgliedsländer zu reden.»
Tatsächlich unternimmt der Europarats-Präsident, der von zwei Vollzeitsekretären unterstützt wird, Reisen in von ihm ausgesuchte Länder und bespricht mit den dortigen Regierungen deren aktuelle politische Probleme. «Ich würde mich an den aktuellen Krisen orientieren und momentan zum Beispiel nach Albanien oder Moldawien gehen, um den schwierigen Demokratisierungsprozess in den neuen Mitgliedsländern zu fördern», so Gross.
Voraussetzung für das Präsidentenamt ist allerdings, dass der Zürcher SP-Nationalrat in diesem Herbst die Wiederwahl ins eidgenössische Parlament schafft. Denn im Europarat sitzen nur aktive Parlamentarier aus den Mitgliedsländern.
Die Ausgangslage in Zürich ist für Gross weit weniger berechenbar als jene in Strassburg. Er ist nicht einmal sicher, ob ihn die Sozialdemokraten wieder aufstellen. Weht doch den altgedienten SP-Parlamentariern ein rauer Wind entgegen. Gross politisiert seit 20 Jahren in Bern. Die Zürcher Parteibasis hat aber kürzlich beschlossen, Nationalräte mit mehr als 12 Amtsjahren nur noch zur Wiederkandidatur zuzulassen, wenn sie mindestens zwei Drittel der Delegierten dafür gewinnen können.
Das sei «ein Signal, dass sich die Basis eine Erneuerung wünscht», sagt Generalsekretär Daniel Frei. Die Zürcher Sozialdemokraten sind gebrannte Kinder: 2007 wurden die Bisherigen Vreni Müller-Hemmi, Barbara Marty Kälin sowie Vreni Hubmann abgewählt – und die SP verlor ein Viertel ihres Wähleranteils. Nun spricht der Zürcher SP-Präsident Stefan Feldmann von «Erneuerung durch Wettbewerb».
Das winkende Europarats-Präsidium werde man dabei sicher «in die Ü,;berlegungen miteinbeziehen», sagt Feldmann. Auf der anderen Seite helfe nicht, dass Gross in erster Linie im jurassischen St. Ursanne wohnt – 130 Kilometer von Zürich entfernt. Entsprechend selten sieht man ihn an Parteiveranstaltungen, was die Basis nervt.
Entscheiden wird die Delegiertenversammlung vom 14. Mai. Schafft Gross die Zweidrittelhürde, werden ihm die Delegierten einen der ersten 17 Listenplätze zuteilen. Anschliessend gilt es auf dem Weg ins Europarats-Präsidium noch die Zürcher Wähler zu überzeugen. Damit verglichen scheint die eigentliche Wahl in Strassburg ein Spaziergang zu sein. Faktisch entscheiden also Zürcher, ob Gross Europarats-Präsident wird.
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