02. Okt. 2009
Moscow Times
Lesen Sie den Bericht der Moscow Times. In englischer Sprache.
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Aus Zuneigung zu Russland muss man heute einige Elemente russischer Politik kritisieren
Es heißt, der von Herrn Jensen und 71 anderen Mitgliedern unterzeichnete Antrag 12014 sei von georgischer Seite ausgegangen (obwohl er keine georgischen Unterschriften trägt). Stimmen Sie dem zu?
Ich habe persönlich beobachtet, wie eine georgische Kollegin schon im Mai Unterschriften für diesen Antrag gesammelt hat. Der Antrag ist eindeutig von dieser Seite ausgegangen.
Hatte der Antrag ihrer Meinung nach irgendwelche Berechtigung?
Der Begriff Berechtigung hat zwei Bedeutungen: Einerseits eine rechtliche, andererseits
eine politische. Rechtlich ist und war gegen diesen Antrag nichts einzuwenden. Die Kollegen haben das Recht, eine solche Motion zu lancieren und ebenso zu unterschreiben. Politisch war dieser Antrag nicht Ausdruck einer besonderen Weisheit. Zunächst wegen des Zeitpunkts: Wir haben nun schon dreimal über den Entzug der Rechte der russischen Kollegen gestritten und es ist ungeschickt von den immer gleichen Kollegen, die immer gleichen Entscheidungen zu verlangen. Das sehr schlechte Resultat heute ist auch Ausdruck dessen. Schliesslich ist der Antrag politisch inhaltlich unklug. Wir können heute in Georgien und in ganz Europa kein einziges Problem ohne oder gar gegen Russland besser lösen als mit ihm. Wir wollen mit Russland über die besten Lösungen für die schwierigsten Fragen unserer Zeit diskutieren; wir wollen unsere Vorschläge machen, Russland unterbreiten und zu hören, was die Verantwortlichen dazu meinen und dann erwidern und neue Vorschläge unterbreiten. Dies nennt man Dialog und ein solcher ist nur mit einem Partner möglich und nicht ohne ihn. Deshalb halte ich es bei aller verständlichen Enttäuschung vieler Kollegen für ganz falsch, jetzt, da in Russland diejenigen, welche den Europarat ebenso achten wie seine Grundwerte, Zuspruch finden, Russland vor den Kopf zu stossen und den absolut notwendigen Dialog zu vereiteln.
In der Debatte am Dienstag um den Georgienkrieg hat sich die Versammlung mit 80 zu 36 Stimmen kritisch zu Russland entschieden. - Wie haben Sie gestimmt?
Ich bin auch sehr kritisch gegen Russland, das ist keine Frage. Aus Zuneigung zu Russland muss man heute einige Elemente russischer Politik kritisieren. Doch dies muss klug formuliert und zum Ausdruck kommen und nicht mit einer heissen Feder geschrieben sein; deshalb habe ich gegen den Bericht gestimmt.
Und warum meinen Sie, war heute (Donnerstag) das Ergebnis quasi umgekehrt?
Weil heute die Rapporteure besser argumentiert haben, differenzierter auch auf Einwände eingegangen sind und drittens viele heute den Dialog dringend finden und ihn auch suchen und ihn trotz allem, oder gerade deswegen, eben nicht abbrechen wollen.
Kontakt mit
Andreas Gross
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