5. Mai 2009
Schaffhauser Nachrichten
Rubrik: Nachgefragt
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Menschenrechte als oberstes Prinzip
Andreas Gross, 1952 in Kobe (Japan) geboren, ist Präsident der sozialdemokratischen Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.
Interview Jan Jirát
Vielen Leuten ist der Europarat kein Begriff. Was genau hat man sich darunter vorzustellen?
Andreas Gross: Der Europarat ist die älteste Organisation der europäischen Integration. Er wurde ursprünglich von Menschen gegründet, die einen europäischen Bundesstaat auf der Basis einer föderalistischen demokratischen Verfassung aufbauen wollten, der einen Krieg in Europa ein für alle mal unmöglich machen sollte. Doch aus dem Europarat ist kein Bundesstaat erwachsen. Er blieb eine internationale Organisation, die die vor allem einen europäischen Rechtsraum schuf, in dem bestimmte Prinzipien gelten – vor allem die Menschenrechte. Der Europarat ist heute eine Säule der europäischen Innenpolitik und setzt Massstäbe bezüglich Demokratie, Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und sozialer Standards.
Was ist die Rolle der Schweiz innerhalb des Europarates?
Gross: Seit 1963 ist auch die Schweiz dabei, seit 1974 dürfen auch Schweizerinnen und Schweizer die Schweiz einklagen, wenn das Bundesgericht ihrer Meinung nach nicht gemäss der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Seele des Europarates, urteilt. Die Schweizer Parlamentarier gehören zu den aktivsten der 47 Vertretungen – es ist der einzige Ort, wo Schweizer Europäisches mitbestimmen können, das letztlich auch die schweizerischen Lebensverhältnisse bestimmt.
Sie sind offizieller Schweizer Delegierter des Europarates. Wie muss man sich Ihre Arbeit im Rat konkret vorstellen?
Gross: Es ist wie in Bern, nur grösser, vielfältiger, diskussionsorientierter und mit einem viel weiteren Horizont. Viermal im Jahr kommen wir in Strassburg zu Sessionen zusammen, dazwischen arbeiten wir in Paris und einigen anderen europäischen Hauptstädten in zehn parlamentarischen Kommissionen: Wenn immer in Europa ein Problem aufscheint, wird es zum Diskussionsgegenstand des Europarates.
Wie würden sie den Europarat zwischen der EU, der NATO und der UNO einordnen?
Gross: Wir haben nicht das Geld der EU, nicht die Armeen der Nato – doch ein starkes Parlament, das der UNO fehlt. Wir vertreten Werte im Interesse der Menschen mit dem Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, der weltweit einzigartig und vorbildlich ist.
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