27./28. Sept. 2008

SDA

Georgien
Europaratsdelegierter Gross:
Europarat hat zu wenig getan


Bern (sda) Nach seinem Besuch im kaukasischen Kriegsgebiet bringt der Schweizer Europaratsdelegierte Andreas Gross Kritik gegen alle Seiten an - auch gegen den Europarat selbst.

Gross wird nächste Woche mit acht weiteren Delegierten den Europarat orientieren, wie es zum Ausbruch des Krieges in Georgien kommen konnte. Für Gross ist klar: «Beide Länder haben gegen den Grundsatz verstossen, wonach man Konflikte nicht mit Gewalt lösen soll.»

Aber auch der Europarat habe sich kritische Fragen zu stellen. «Wenn immer es zum Krieg kommt, hat der Europarat versagt», sagte Gross am Freitag nach seinem fünftägigen Besuch in Moskau, der georgischen Hauptstadt Tiflis und der abtrünnigen Region Südossetien. «Wir haben zu wenig gemacht, um den lange schwelenden Konflikt zu entschärfen», sagte der Europaratsdelegierte und SP-Nationalrat gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Es habe seit langem Anzeichen gegeben, dass der Kaukasuskonflikt eskalieren könnte.

Der Europarat hätte auf diese Hinweise reagieren sollen. Zum Beispiel hätte die nationalistische Politik in Georgien stärker hinterfragt werden sollen. «Der Hass zwischen Südosseten und Georgiern gäbe es bei stärkerem internationalen Engagement nicht», sagte Gross.

Auch auf Russland, welches Konfliktlösungsansätze in Südossetien sabotiert habe, hätte mehr Druck gemacht werden müssen. Gross wird vom Europarat deshalb verlangen, sein Verhalten zu überdenken.

Noch schlimmerer Krieg droht

Dies sei umso wichtiger als bereits der nächste kriegerische Konflikt drohe: der Streit um Berg-Karabach. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet gehört zu Aserbaidschan, wird aber auch von Armenien beansprucht. «Hier droht ein Krieg, der noch viel blutiger ausfallen könnte, als derjenige in Georgien», sagte Gross.

Ein wachsames Auge sei zudem auf die ukrainische Krimhalbinsel zu werfen, wo wie in Südossetien ebenfalls viele Russen leben. Hier müsse der Europarat durch Arbeiten vor Ort dafür sorgen, dass die multi­ethnische Kultur gefördert werde, um die staatliche Integrität der Ukraine zu schützen.

Grundsätzliche Fragen stellten sich zudem zum russischen Selbstver­ständ­nis gegenüber seinen Nachbarstaaten. Auch die Instrumenta­lisierung einzelner europäischer Staaten wie Georgien durch die USA für deren «imperialistische Interessen» sei zu hinterfragen, sagte Gross.


Nachstehend ein Entwurf dieses Artikels


Georgienkonflikt
Europarat-Delegierter Gross:
Europarat hat zu wenig getan


Bern (sda) Grauenhafte Bilder hat der Schweizer Europaratsdelegierte Andreas Gross bei seinem Besuch im bekriegten Kaukasus zu sehen bekommen. Ganze Dörfer seien ausgestorben. Selbstkritische Vorschläge bringt er gegen alle Seiten an - auch gegen den Europarat selbst.

Gross wird dem Europarat zusammen mit acht weiteren Delegierte nächste Woche Bericht erstatten über die Frage, wie es zum kriegerischen Ausbruch kommen konnte. Für Gross ist klar: «Beide Länder haben gegen den Grundsatz verstossen, wonach man Konflikte nicht mit Gewalt lösen soll.» Aber auch der Europarat habe sich kritische Fragen zu stellen. «Wenn immer es zum Krieg kommt, hat der Europarat versagt», machte Gross am Freitag nach seinem fünftägigen Besuch in Moskau, Tiflis und der abtrünnigen Region Südossetien klar.

«Wir haben zu wenig gemacht, um den lange schwelenden Konflikt zu entschärfen», sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Es habe seit langem Anzeichen gegeben, dass der Kaukasuskonflikt eskalieren könnte. Der Europarat hätte auf diese Hinweise reagieren sollen. Zum Beispiel hätte die nationalistische Politik in Georgien stärker hinterfragt werden sollen. «Der Hass zwischen Südosseten und Georgiern gäbe es bei stärkerem internationalem Engagement nicht», sagte Gross.

> Auch auf Russland, welches Konfliktlösungsansätze in Südossetien sabotierte, hätte mehr Druck gemacht werden müssen. Gross wird vom Europarat verlangen, sein Verhalten zu überdenken.

Noch schlimmerer Krieg droht

Dies sei umso wichtiger als der nächste kriegerische Konflikt droht: der Streit um Berg-Karabach. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet gehört zu Aserbaidschan, wird aber auch von Armenien beansprucht. «Hier droht ein Krieg, der noch viel blutiger ausfallen könnte, als derjenige in Georgien», sagte Gross.

Ein offenes und wachsames Auge sei zudem auf die ukrainische Krimhalbinsel zu werfen, wo wie in Südossetien ebenfalls viele Russen leben. Hier müsse der Europarat durch Arbeiten vor Ort dafür sorgen, dass die multi­ethnische Kultur gefördert und die staatliche Eigenständigkeit der Ukraine geschützt werde.

Es stellen sich in den kommenden Wochen aber auch ganz grundsätz­liche Fragen wie beispielsweise jene nach dem Selbstver­ständ­nis Russlands gegenüber seinen Nachbarstaaten oder der Instrumentali­sierung einzelner europäischer Staaten wie Georgien durch die USA zu deren imperialistischen Interessen und deren Beziehung zu den menschenrechtlichen Grundwerten, für die der Europarat als politisches Gewissen Europas stehe, meinte der schweizerische Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten in der parlamentarischen Versammlung des Europarates.


Kontakt mit Andreas Gross



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