5. März 2008

SP ZH 07

Politik nicht nur konsumieren -
Jahresbericht 2007 aus dem Nationalrat


Von Andi Gross

Wahlkampf und Wahlniederlage einerseits und die Abwahl Bundesrat Blochers andererseits waren aus der Sicht des Bundeshauses die beiden zentralen Ereignisse der vergangenen zwölf Monate. Beide sind weder verdaut noch verarbeitet worden.

Für die SP war die Wahlniederlage überraschend gross, in Zürich gar verheerend. Dies gilt ganz besonders auch für die SP ZH 7, die mit der unverdienten Nichtwiederwahl von Vreni Müller-Hemmi, unserer profilierten Kultur- und Aussenpolitikerin, ihre feminine Vertretung im Nationalrat verlor. Bisher machte die SP nicht den Eindruck, dass sie ihre Trauerarbeit abgeschlossen hat und zu neuen Aufbrüchen unterwegs ist. Umso mehr müssen wir uns bemühen, auch in der Sektion einen Beitrag dazu zu leisten und nicht zu glauben, wir könnten dieser notwendigen Transformation einfach zusehen oder sie gar nur konsumieren.

Die Abwahl Blochers war für viele GenossInnen und SympathisantInnen eine ebenso grosse, diesmal freilich positive Überraschung. Die grosse Gefahr ist nun, dass uns die positive Überraschung die negative zu schnell vergessen lässt und wir nicht merken, dass beide einer grossen Nachbearbeitung bedürfen.

Die Bewältigung von Wahlkampf und Wahlniederlage ist eine Herausforderung für die ganze SP. Jede Sektion, ja jedes Mitglied ist davon betroffen. Umso mehr müssen wir uns alle um die Bewältigung kümmern, beziehungsweise darum, dass daraus die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Das ist dann der Fall, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die nächsten Wahlen nicht mit einer weiteren Niederlage enden.

Nach meiner Meinung können wir bei dieser Arbeit nicht tief genug schürfen. Denn ich habe den Eindruck, auch innerhalb der SP gingen die politischen Grund- und Selbstverständnisse total auseinander. Zu viele Mitglieder scheinen zufrieden zu sein, wenn sie sozialdemokratische Politik konsumieren können; der Mitgliedsbeitrag ist der relative hohe Preis, den sie dafür zu bezahlen bereit sind. Eine bessere und erfolgreichere sozialdemokratische Politik bedingt aber mehr als das. Sie kann nur formuliert, entwickelt und realisiert werden, wenn möglichst viele Mitglieder auch bereit sind, einmal pro Monat mitzudenken und mitzudiskutieren; aktiv an der Anstrengung mitzuwirken; an der Bestimmung dessen, was denn wie besser getan und versucht werden sollte. Dieses aktive und partizipative Verständnis hätte freilich den grossen Vorteil, dass dann auch an den inner- und ausserparlamentarischen Umsetzungen und Realisierungen dieser neuen sozialdemokratischen Politik mehr GenossInnen mitwirken würden.

Die Abwahl Blochers betrifft alle in der Schweiz lebenden Menschen. In erster Linie muss sich aber die Mehrheit der Bundesversammlung vom 12.12.2007 – National- und Ständeräte der SP, der CVP, der FDP, der Grünen, der Grünliberalen, der EVP und wohl auch zwei der SVP selbst – ihrer entsprechenden Verantwortung bewusst sein. Denn die SVP sinnt bereits aufs heftigste auf Rache. Wenn wir nicht wollen, dass die SVP 2011 mit einem Wahlkampfbudget von 50 Millionen Franken anrückt und das ganze Land in mehrerer Hinsicht zudeckt, nochmals elektoral zulegt, um dann mit drei Hardlinern in den Bundesrat einzuziehen, dann müssen in den kommenden Monaten gesetzliche Leitplanken ausgearbeitet und gelegt werden.

Ich gehöre zu jenen, die seit über einem Jahr die Abwahl Blochers argumentativ vorbereitet haben. Ende August 2007 wurde der gegen unseren Willen bereits im Februar angekündigte Sammelband von 37 AutorInnen für einen Fahrplanwechsel - Für mehr Demokratie und Solidarität und weniger Blocher (Edition Le Doubs, 2882 St-Ursanne, 350 S., 19.80) publiziert. Damit konnte ich an fast 20 Wahlkampf-Veranstaltungen mitwirken, welche die Möglichkeit eines Bundesrates ohne Blocher und andere offizielle SVP-Vertreter auch unter FDP- und CVP-WählerInnen thematisierte, die sich vom Blocher-Block emanzipieren wollen. Deshalb bemühte ich mich auch, in der Frühlings-Session eine erste Sitzung von RepräsentantInnen der Mehrheit vom 12.12. zu organisieren. Wir sollten uns einig werden, in welchen fünf Schwerpunktfragen die Mehrheit vom 12.12. so zu regenerieren sei, dass der Blocher-SVP die Revanche misslingt.

In diesem Zusammenhang galt und gilt es auch, unser Konkordanz-Verständnis zu erneuern und zu präzisieren. Konkordanz hat nie geheissen, Feuer und Wasser in die gleiche Regierung zu stecken und den vielen heissen Dampf, den diese dann produziert, mit segensreicher Regierungstätigkeit im Gemeininteresse zu verwechseln. Von einer Konkordanzregierung kann keine programmatische Einigkeit verlangt werden, wohl aber eine gemeinsame Interpretation der von der Regierung zu respektierenden völkerrechtlichen, rechtstaatlichen und verfassungspolitischen Grundprinzipien. Dies war mit der Blocher-SVP nicht mehr möglich. Was nun?

Die Beantwortung dieser Frage beginnt mit der Erkenntnis, dass sich die parteipolitischen Verhältnisse in der Regierung und im Bundeshaus nach dem 12.12.2007 ganz wesentlich verändert haben. Dies zu negieren bedeutet, die gemeinsame Verantwortung der Mehrheit des 12.12. zu verkennen und Opfer der SVP-Revanche zu werden.

Dies zu erkennen ist substanziell und konzeptionell eine ganz grosse Herausforderung. Ob wir sie zu bewältigen vermögen, ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Ich bin gerne bereit, an den MVs der SP 7 regelmässig über die entsprechenden Anstrengungen zu berichten und gemeinsam mit euch darüber nachzudenken, ob wir a. das Richtige tun, b. unsere entsprechenden Möglichkeiten ausschöpfen und c. wie wir das, was wir tun müssen, so tun können, dass ihr motiviert seid, dabei mitzuwirken. Denn nur gemeinsam können wir überwinden, was jeden von uns verzweifeln lässt!



Kontakt mit Andreas Gross



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