18. April 2008
Protokoll CoE
Bericht
Sitzungsperiode 2008
(2. Teil)
18. Sitzung
(Dok. 11526)
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«Wir Europäer sollten nicht das Essen Anderer für unser Benzin missbrauchen»
Andreas GROSS, Schweiz, SOC
Merci, Madame la présidente!
(Anfang der Rede auf Französisch)
Ich möchte mich auf die Fragen der Ursachen und unserer Handlung konzentrieren. Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht vergessen, was in den letzten drei Monaten passiert ist. Denn die letzten drei Monate werden noch viel mehr Menschen zu Flüchtlingen machen; viel mehr Menschen werden als Flüchtlinge versuchen, dorthin zu kommen, wo sie essen können.
Da müssen wir schon bei der Sprache beginnen, was den Herrn Sprachlehrer Schneider freuen wird! Hier ist immer von flux oder flow die Rede. Das ist eine Naturalisierung eines politischen Problems: Flüsse, das ist Wasser, und das geht sozusagen automatisch den Bach hinunter. Flüchtlinge sind jedoch nicht eine Frage der Natur. Sie werden politisch, ökonomisch verursacht.
Wir sollten daher bei der Sprache aufpassen, denn wenn wir für politische Dinge Naturbilder verwenden, merken die Menschen nicht, dass es um politische Dinge geht, die von uns verursacht und verantwortet werden. Ebenso wie bei der Medienlandschaft, die nichts mit einer Landschaft zu tun hat. Wenn man von Landschaft spricht, werden ökonomisch schwerwiegende Dinge verharmlost. Deshalb sollten wir weniger von Flüssen sprechen.
Das sollten wir im Auge behalten und daran denken, dass heute, bzw. vor einem Jahr schon, 850 000 Menschen verhungert sind, dass alle fünf Minuten ein Kind unter zehn Jahren des Hungers stirbt, und dass in den letzten zwei Monaten der Preis für Reis, das Grundnahrungsmittel z.B. der Afrikaner, v.a. in Süd- und Zentralafrika (in Afrika lebt über 50% der Bevölkerung vom Reis), sich um 53% verteuert hat! Z.B. in Kamerun um 39%, Mauretanien 43%, Senegal 45%. Hier haben wir die Ursache für die Flüchtlinge!
Dazu wissen wir, weshalb sich der Reis verteuert hat: Einerseits wegen Indien und China, was in Ordnung ist; dort leben mehr Menschen, die auch zu essen haben möchten, und wir produzieren zu wenig, sodass der Preis steigt. Andererseits aber auch, und das ist das Schlimme, weil z.B. in den USA Millionen Tonnen von Mais, also das, was andere Menschen essen sollten, als Benzin verfeuert werden!
Auch da muss man differenzieren: Wenn Abfälle verfeuert und in Energie verwandelt werden, habe ich nichts dagegen. Aber wir sollten als Europäer alles, was andere Leute zum Essen brauchen, nie bei uns fürs Benzin missbrauchen. Deren leere Teller sollten nicht bei uns für den vollen Tank investiert werden. Das ist meine erste Schlussfolgerung.
Diesen Zusammenhang sollten wir in einem weiteren Bericht aufgreifen. Ich bin mit Herrn Kox und Herrn Schneider einverstanden, dass das ein Anfang ist, eine Reflexion, auf die wir im Herbst oder Winter auch im Europarat zurückkommen müssen. Denn was in Afrika passiert, ist für uns eine schwere Verantwortung. Wir müssen ein schlechtes Gewissen haben, aber nicht nur das.
Was weltweit vor allem unseretwegen bei den Nahrungsmitteln geschieht, vor allem, weil wir Öl durch Nahrungsmittel ersetzen wollen, ist letztlich eine Obszönität, wenn dabei gleichzeitig fast eine Milliarde Menschen verhungert. Damit haben wir eine schwere Verantwortung auf uns geladen. Und am meisten auf der ganzen Welt leiden die Afrikaner darunter. Wenn Menschen, die zu Hause nicht essen können, zu uns kommen wollen, weil sie Essen suchen, dann zeigt das unsere Verantwortung.
Dann reicht es nicht, über Abschreckung oder Abkommen usw. zu reden; dann müssen wir besprechen, was wir tun können, damit diese Menschen dort, wo sie geboren werden, essen können. Dann werden aus diesen Menschen auch keine Flüchtlinge, denn kein Mensch geht freiwillig einfach fort, wenn er zu Hause ein Auskommen finden kann. Deshalb bin ich froh, dass wir das heute diskutieren können. Aber ich teile die Meinung meiner Vorredner: Wir müssen darauf zurückkommen und präzise darauf deuten, was wir verursacht haben, die Ursachen der Entstehung von Flüchtlingen: Sie entstehen, weil die Menschen zu Hause nicht essen können.
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Andreas Gross
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