15. Jan. 2008

Südostschweiz

Lektüreangebot mit kühnem Anspruch

Der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross möchte der SVP mit einer neuen Buchreihe Paroli bieten. Bis 2011 sollen jährlich zwei Bände zu SVP-Themen veröffentlicht werden.

Von Gieri Cavelty

Bern. – Andreas Gross rechnet mit stürmischen Zeiten. «Christoph Blocher will Revanche für seinen Sturz als Bundesrat», sagt der Zürcher SP-Nationalrat, der im Kanton Jura das Atelier für Direkte Demokratie betreibt. Die SVP werde in den kommenden vier Jahren einen millionenschweren direktdemokratischen Apparat in Schwung halten. «Wir werden noch häufiger mit menschenfeindlichen Interpretationen von Demokratie konfrontiert sein», sagt Gross. Die Einbürgerungsinitiative der SVP, die am 1. Juni zur Abstimmung gelangt, bilde da nur eine Art Vorgeschmack.

Als Intellektueller in der Tradition Frankreichs hat sich Gross vor einiger Zeit schon der Analyse und Bekämpfung der SVP-Politik im wahrsten Sinne des Wortes verschrieben. Er zeichnet als Mitherausgeber dreier von vier SVP-kritischen Büchern; das jüngste, eine Aufsatzsammlung mit Beiträgen von drei Dutzend Autoren, ist letzten August auf Deutsch und nach den Parlamentswahlen zur Hälfte neu auf Französisch im Hinblick auf die Bundesratswahlen erschienen. Jetzt will der 55-Jährige seine SVP-kritische Publizistik im Verlag Editions le Doubs intensivieren und institutionalisieren. Bis 2011 möchten er und weitere Mitstreiter zwei Mal jährlich je ein Buch in deutscher und französischer Sprache mit Aufsätzen zu einem aktuellen, gewissermassen von der SVP vorgegebenen Thema veröffentlichen. Eine Privatperson habe sich bereit erklärt, die anfallenden Produktionskosten von 20 000 Franken pro Titel (2 Bücher) zu übernehmen, erklärt Gross.

Jeder Band soll Kurzbeiträge von verschiedenen Autoren vereinen und maximal 120 Seiten umfassen. «Das Buch passt in jede Jackentasche und ist auch vom Inhalt her eher populär», so Gross. «Ich denke da an eine Mischung zwischen Tageszeitung und politwissenschaftlichem Schmöker. Derzeit prüfen wir, unter welchen Umständen ein Kioskverkauf möglich ist.»

Die erste Nummer der neuen Reihe widmet sich der Einbürgerungsinitiative und kommt im April in einer Auflage von 2000 deutsch- sowie 1000 französischsprachigen Exemplaren auf den Markt. Ein Argumentarium gegen dieses SVP-Begehren erscheint Gross nicht zuletzt darum so wichtig, weil die Vorlage bis weit in die Kreise der CVP auf Sympathie stösst. Gerade die Christdemokraten müssten über die veränderten Verhältnisse nach dem 12. Dezember sensibilisiert und zu einer grundsätzlichen Reflexion über den Rechtsstaat angehalten werden, findet Gross: «Wenn diejenigen, die Blocher abgewählt haben, jetzt entweder eilfertig SVP-Positionen übernehmen oder aber einfach weiterpolitisieren, als sei nichts passiert, laufen wir alle zusammen der SVP in den Hammer.» Die SVP strebe 2011 einen Wähleranteil von 35 Prozent an, «das müssen wir verhindern» und mahnt auch an, die Deutungsmacht dessen, was am 12.12.07 passierte, nicht der SVP zu überlassen: «Die Mehrheit vom 12.12. muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein und aus ihrer Mehrheit noch mehr Vernünftiges machen»

Kurze Anlaufzeit

Offen ist derzeit der Name der neuen Buchreihe. Gross: «Bürgerbuch klingt etwas zu bieder, obschon diese Bezeichnung die Sache dem Wesen nach trifft.» Ebenfalls noch offen ist, welchem Thema der zweite für das laufende Jahr vorgesehene Band gewidmet sein wird. «Das hängt davon ab, welche Vorstösse die SVP zunächst lancieren wird.» Im Vordergrund steht nach Gross’ Vermutung eine Volksinitiative zur Einführung des Finanzreferendums respektive eine Initiative für die Direktwahl des Bundesrates sowie Avancen im Steuer- und repressiven Ausländerbereich. «Wir sind aber für jeden Fall gewappnet und können mit einer kurzen Anlaufzeit auf die Vorstösse der Blocher-Partei reagieren», sagt Gross. «Schliesslich beschäftigen wir uns nicht erst seit dem 12. Dezember mit der SVP.» – Und wie hält er es mit dem Vorwurf, dass er sich womöglich zu intensiv mit der SVP beschäftigt und dieser mithin zu zusätzlicher Publizität verhilft? «Ernsthafte Politik bedeutet immer Auseinandersetzung mit den Andersdenkenden. Nur so kommen wir dem Angemessenen auf die Spur. Wer dies nicht tut, weil er den Anderen nicht aufwerten möchte, erliegt entweder einem gewalttätigen Freund/Feind-Denken oder ist schlicht denkfaul.»


Kontakt mit Andreas Gross



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