6. Jan. 2008
10:53


SDA

«Keine freie und faire Wahl»

Die Präsidentenwahl in Georgien war weder frei noch fair, und die offiziellen Zahlen seien mit Skepsis zu geniessen. Dies ist die Einschätzung von Europarats-Wahlbeobachter Andreas Gross.

Der Zürcher SP-Nationalrat hielt sich in Batumi am Schwarzen Meer auf. Er selber habe zwar keine Unregelmässigkeiten beobachtet, sagte Gross heute der Nachrichtenagentur SDA. Allerdings sei er auch in einer dem amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili wohlgesinnten Region, dem autonomen Gebiet Adscharien an der Grenze zur Türkei, stationiert gewesen.

Unfrei und unfair sei die Wahl aber schon wegen des herrschenden Ausnahmezustands gewesen, welcher der Opposition für die Vorbereitung auf den Urnengang nicht annähernd gleiche Chancen ermöglicht habe. Die öffentliche Diskussion sei einseitig von den Machthabern und ihrer Präsenz in den staatsnahen Medien dominiert worden und von einem «vorauseilenden Gehorsam» geprägt gewesen.

Er habe auch Druckversuche zum Beispiel auf andersdenkende Kleingewerbler wahrnehmen können; diese hätten kaum gewagt, den allgegenwärtigen überdimensionierten Saakaschwili-Plakaten etwas entgegenzusetzen. Die Legitimität der Wahl und die Glaubwürdigkeit des Resultats seien darum klein, sagte Gross. Er hoffe auf einen zweiten Wahlgang. Sonst seien neue Proteste zu erwarten und gewalttätige Versuche der Opposition, die Machtverhältnisse umzustossen.

Wo bleibt Europa?

Allerdings sei auch die Überzeugungskraft der Opposition in der frustrierten georgischen Bevölkerung nicht gross. Dies, obwohl die Nummer zwei nach offiziellen Zahlen, Lewan Gatschetschiladse, aus Sicht von Gross eine Alternative zu bieten hätte: einen europäischen Weg als dritte Möglichkeit neben dem USA-freundlichen Kurs des Autokraten Saakaschwili und einer Anlehnung an Russland.

Europa als politische Perspektive bleibe für die Georgier unsichtbar. Das sei bedauerlich. Mit dem einstigen Hoffnungsträger Saakaschwili sei Georgien gar in einen quasi Sowjetunion-ähnlichen Zustand zurückgefallen, auch vergleichbar mit der so genannten gelenkten Demokratie im Russland Putins, sagte Gross.


Kontakt mit Andreas Gross



Nach oben

Zurück zur Artikelübersicht