26. Juni 2007
Protokoll Europarat
Doc 11302
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CIA-Gefängnisse in Europa -
Zum Bericht von Dick Marty
Andreas GROSS, Schweiz, SOC
Danke, Herr Vorsitzender!
Es ist ein alter Fehler, der seit zweitausend Jahren gemacht wird, dass, wenn man die Botschaft von jemandem nicht gerne hört, man den Botschafter diskreditiert. Und es ist unanständig, einen Kollegen zu diskreditieren und dann hinauszugehen und nicht zu hören, was diejenigen sagen, die das anders sehen. Das betrifft Frau Cliveti und Herrn Hancock.
Es gibt Momente, wo man entscheiden muss, ob man der Verteidiger einer Regierung, eines Staates ist, oder ob man die Werte verteidigt, die die raison d'être unserer Versammlung sind. Es gibt einen Zeugen für die Glaubwürdigkeit von Herrn Marty, und zwar den besten.
Vor einem Jahr hat er einen ähnlichen Bericht vorgelegt, und dieselben Leute haben auf ähnliche Weise versucht, ihn zu diskreditieren. Zwei Monate später hat Präsident Bush ihm Recht gegeben und praktisch alles zugegeben, in sehr genauen, ziselierten Formulierungen, damit man an der amerikanischen Regierung nicht zu viel kritisieren kann.
Könnte es nicht sein, dass ganz hochgestellte Leute in Polen und Rumänien deshalb Herrn Marty so viel gesagt haben, weil sie genau wissen, dass in nächster Zeit Herr Bush oder andere auch wieder sagen werden, er habe Recht gehabt? Denn man kann die Wahrheit nicht ewig verleugnen.
Wenn Sie den Bericht genau gelesen haben, dann sehen Sie hochgestellte CIA-Leute, die selber ein schlechtes Gewissen hatten, so viel Macht zu bekommen, dass sie so etwas tun konnten, das keiner Menschenrechtsinstanz Genüge tut. Und Herr Hancock hat nicht Recht, die Menschenrechte sind eben keine Schönwetter-Prinzipien; sie müssen sich bewähren, wenn es ganz schlimm zugeht.
Und sie haben sich bewährt, denn heute sind wir gegenüber dem Terror weniger sicher als vorher, weil die Art, wie er bekämpft wurde, nicht nur unsere eigene Glaubwürdigkeit diskreditiert, sondern die Terroristen stärker gemacht hat. Das sollte uns doch zeigen, dass wir auch in den schwierigsten, schlimmsten Momenten unseren Prinzipien Genüge tun und sie nicht verleugnen sollten!
Auch sollten wir vor lauter Bäumen trotzdem den Wald sehen: Es gibt zwei große Themen, die hier eigentlich diskutiert werden sollten, denn es geht darum, aus eigenen Fehlern zu lernen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Nato wurde Artikel 5 mit dem Slogan "Krieg gegen Terror" angesprochen. Schon damals aber haben manche gesagt: Terror ist eine Taktik, eine grausame Taktik, aber kein Mensch. Man kann gegen eine Taktik keinen Krieg führen, sondern nur taktische Kriege gegen Menschen, gegen Länder.
Zum ersten Mal wurde Artikel 5 mit einer Klausel angesprochen, «Krieg gegen Terror», die überhaupt nicht der Logik des Artikels 5 und des Nato-Bündnisses entspricht. Dann fand im Oktober eine Sitzung statt, in der unsere Regierungen eben dieses Konzept akzeptierten und der CIA Vollmachten gaben, von denen ihnen sicher nicht bewusst war, was sie bedeuteten. Die CIA selbst hat gestaunt, was man ihnen zugestattete! Denn in Amerika selbst gibt es Leute, die nicht tun wollen, was wir auch nicht tun wollen, nämlich selbst in schwierigsten Zeiten Menschenrechte missachten.
Der zweite Punkt ist: Die amerikanische Regierung weiß ganz genau, was die Verfassung der USA von ihr verlangt. Und was macht sie? Sie schiebt das, was nicht verfassungsmäßig ist, nach Europa ab, und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Herr Marty hat Recht, wenn er das als Apartheid bezeichnet. Es ist eine Schande, dass wir uns eine solche Kolonialisierung gefallen lassen, und dagegen müssen wir uns wehren. Darum geht es, nicht um Polen oder Rumänien oder irgendeine Regierung.
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