21. August 2006

In der politischen Arbeit sollen unmittelbare Bedürfnisse und authentische Überzeugungen eingebracht und gelebt werden


Text zum 100. Geburtstag der Schweizer Jungsozialisten.
Von Andi Gross, Präsident der Juso Schweiz von 1979 – 1983.
(Leittext. Es gilt das gesprochene Wort.)


Die Jusos versuchten Ende der 1970er Jahre positive Impulse aus der 1968er Bewegung aufzunehmen, ohne wie viele andere linke Gruppen deren abstrakter Theorielastigkeit und Lebensferne zu frönen.

Die positive Botschaft der 68er war, dass die gesellschaftlichen Lebensumstände nicht einfach Schicksal sind, sondern umgestaltet werden können. Und zwar in dem jeder und jede, dort wo sie lebt und tätig ist, aktiv wird und ihr Handlungspotential nicht einfach irgendwelchen Politkern, Parteien oder Institutionen delegiert.

Die Juso versuchten damals diesen Handlungsimpuls aufzunehmen und gleichzeitig mit den unmittelbaren Interessen und Lebensbedürfnissen Jugendlicher zu verknüpfen. So rückten Fragen der Berufsbildung, der Friedensarbeit, die Ungerechtigkeiten in der Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd sowie der Oekologie ins Zentrum der Jusoarbeit. Gleichzeitig versuchte man mit direkten Aktionen auf die Probleme aufmerksam zu machen, unterstützte Referenden und Initiativen und konzentrierte sich eher auf die ausserparlamentarische Arbeit. Das machte die Juso wieder attraktiv vor allem auch für Schülerinnen und Lehrlinge. Damit konnten sie ihre anfängliche Studentenlastigkeit überwinden.

Viele Juso nahmen wichtige Anliegen der 1980er Bewegung vorweg und fühlten sich durch diese wiederum unterstützt und gestärkt. Das heisst in der politischen Arbeit sollten unmittelbare Bedürfnisse und authentische Überzeugungen eingebracht und gelebt und nicht wie früher von ihnen abstrahiert werden. Nur so ist zu erklären, weshalb die Jusos im Frühjahr 1981 den Mut fanden, zur Idee einer Schweiz ohne Armee öffentlich zu stehen, eine entsprechende Volksinitiative zu denken und als deren bessere Basis dann im Herbst 1982 die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) zu initiieren. Die machte dann daraus die Utopie der 1980er Jahre, die am 26. November 1989 die erfolgreichste Niederlage der Geschichte der schweizerischen Direkten Demokratie hervorbrachte.

Den Mut zu dieser und zu anderen Utopien fanden die Juso aber nur durch eine ständige Bereitschaft, sich grundsätzlich an kleinen und grösseren Bildungszirkeln mit den Hintergründen und der Geschichte der politischen Fragen auseinanderzusetzen. Wir lasen und diskutierten viel an immer wieder neuen Seminarien und Werkstätten und versuchten so die Orientierungslosigkeit und die Unübersichtlichkeit zu überwinden, denen nicht nur junge Menschen ohnmächtig erliegen, wenn sie in dieser Welt sich selber überlassen werden.


Andreas Gross



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