23.09.2002

Protokoll Europarat
AS (2002) CR25

Wahlbeobachtung in Macedonien:
Wahlen als Grundlage zum Versöhnungsprozess


GROSS (Schweiz). - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht sicher, ob wir uns bewusst sind, dass ich von Wahlen in einem Land zu berichten habe, das, wenn sich die Europäische Union und die internationale Völkergemeinschaft in den letzten anderthalb Jahren nicht so engagiert hätten, nicht mehr existieren würde. Ich habe gemeinsam mit 15 Kolleginnen und Kollegen von Wahlen zu berichten, die ein Jahr nach Ende eines Bürgerkrieges stattgefunden haben, von denen lange nicht klar war, ob sie überhaupt durchgeführt werden können. Wir waren positiv überrascht, dass zum ersten Mal nach diesen blutigen Auseinandersetzungen Wahlen ohne Gewalt möglich waren. Das ist der grossen Leistung der Europäischen Union, zum Teil der NATO, und unseres Engagements zu verdanken, wobei man in Bezug auf den Europarat einige Fragezeichen setzen muss. Es ist nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für unsere Institution, was wir in den letzten zwei Jahren gegenüber Mazedonien geboten haben. Aber auch ohne uns ist es gut gegangen und wir dürfen froh darüber sein. Denn durch demokratische, faire Wahlen ist heute die Basis dafür gelegt, dass sich die verschiedenen Kulturgemeinschaften, die völlig zerstritten sind, bei denen man, wenn man mit ihnen spricht, nie annehmen würde, dass sie in einem gemeinsamen Land wohnen, wieder versöhnen und eine legitime Macht, eine legitime Repräsentation, eine legitime Regierung bilden können als Grundlage für eine neue Versöhnung.

Selbstverständlich haben wir auch technische Probleme beobachtet: Die Registrierung der Wähler hat nicht funktioniert. Es gab Wahllokale, in denen 20 Prozent der Menschen zurückgewiesen wurden, weil sie nicht registriert waren. In unseren Empfehlungen sprechen wir uns dafür aus, diese Listen besser zu machen. Auf der anderen Seite sollte, weil so viele Menschen ausserhalb des Landes wohnen, unbedingt in das Wahlgesetz aufgenommen werden, dass auch diese Menschen wählen dürfen. Insgesamt aber sind die Wahlen korrekt durchgeführt worden. Sie schufen die Möglichkeit, den politischen Willen der Mehrheit der Menschen richtig zum Ausdruck zu bringen. Vor allem das Central Electoral Committee mit seiner Präsidentin hat ausgezeichnet gearbeitet. - Wir waren angesichts des Ergebnisses sehr erleichtert: Denn noch bei unserer Reise 14 Tage vor den Wahlen, bei der wir die Bedingungen studiert hatten, haben wir, weil vereinzelt gewaltsame Auseinandersetzungen stattgefunden haben, von denen immer noch nicht klar ist, wer dafür verantwortlich war, nicht geglaubt, dass dies möglich ist.

Wir müssen auch dankbar sein, dass es jetzt Parteien gibt, die nicht mehr die ethnischen Differenzen zum Ausdruck bringen wollen. Es gibt zum ersten Mal Parteien, die die Trennung in Völkergemeinschaften überwinden möchten.

Die Punkte 35 und 36 auf Seite 5 unseres Berichtes sind vielleicht die schwierigsten unserer Empfehlungen. Wir denken, dass der Europarat in Zukunft viel mehr darauf achten muss, dass in Ländern, in denen verschiedene Völkergemeinschaften versuchen zusammenzuleben, die Parteien diese Einheit in sich selber abbilden. Es sollte nicht so sein, dass jede Partei nur eine der beiden Völkergemeinschaften repräsentiert. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Es gibt Länder, in denen dies gelungen ist. Ich denke, es ist ein sehr positives Zeichen, dass in Mazedonien einige Parteien mit dieser Strategie beginnen.

Ich danke der mazedonischen Wahlbehörde und den Kolleginnen und Kollegen sowie allen Bürgerinnen und Bürgern, dass sie ohne Gewalt ausgekommen sind. Sie haben jetzt die Basis für ein anderes, besseres Zusammenleben, das, so glaube ich, die Gefahr eines neuen Bürgerkrieges verhindern kann. - Vielen Dank.

Andreas Gross

 

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