6.3.2003

2. Sitzung des Demokratischen Vereins Zürich
Bülach
7. März 2003

Einige Thesen zur Lage der Demokratie
Kantonal, bundesweit, europäisch, global


1.
Die Demokratie und die Direkte Demokratie (DD) erscheinen vielen (den meisten ?) derzeit etwas Selbstverständliches, Langweiliges zu sein - etwas wofür man sich nicht weiter zu engagieren braucht. Es herrscht diesbezüglich Indifferenz. (Beteiligung an der Volksabstimmung vom 9.2.03)

2.
Die Krise, in der sich die DD heute in der Schweiz befindet, ist den meisten weder bewusst noch ein Thema (Kampagne vor der VA über die Volksrechte vom 9.2.03)

3.
Was das Schicksal der DD im Hinblick auf die Europäische Union betrifft, so denken die meisten in falschen Gegensätzen und illustrieren so die mangelnden Einsichten in die Probleme der DD und der EU (Otto Stich am 5.3.03 in der Berner Zeitung: «Der EU-Beitritt der Schweiz würde die Abschaffung der DD bedeuten.»

4.
Fortschritte in Bezug auf die Föderalisierung und Demokratisierung der EU und grössere Einsichten in die Geschichte der Schweiz, der EU und den Fusionsbedarf der jeweiligen Errungenschaften und Leistungen sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Schweiz in etwa zehn Jahren Chancen hat, erfolgreich auszugehen.

5.
Die DD ist heute von laquo;oben» (Transnationalisierung und Globalisierung) und von «unten» (Ö,;konomisierung des Denkens und des Politikverständnisses bis in die SP hinein) und von «innen»" (Das Geld bemächtigt sich des Prozesses) schwer unter Druck, ohne dass dies richtig diskutiert, geschweige denn richtig angegangen würde.

6.
Die revolutionären Wurzeln und die äusserst modernen Verständnisse der DD in der revolutionären Demokratischen Bewegung im 19.Jh. ist den meisten als Quelle von Inspirationen für das 21.Jh. nicht bekannt und wird nicht annähernd ausgeschöpft.

7.
Trotzdem ist es im Verfassungsrat ZH gelungen, im Bereich der DD wieder ausserordentlich innovativ zu sein; käme die Vorlage so durch wie im VR in der ersten Lesung, käme der Kanton ZH wieder wie 1869 im Jahre 2005 zur direkdemokratischsten Verfassung der Welt!

8.
Eines der ganz grossen Probleme der EU ist ihre elitäre und technokratische Geschichte und Struktur: Im Konvent, in den Erweiterungsreferenden, in der konkreten Politik. Die Eliten sind sich dessen aber noch kaum bewusst und noch weniger bereit, Reformen anzugehen. So meinte der ehemalige griechische Aussenminister Pangalos Ende Januar im Europarat: «Eine Verfassung ist zu kompliziert als dass man sie den BürgerInnen zur Abstimmung unterbreiten dürfte.»

9.
Obwohl seit dem 15. Februar allen bewusst sein sollte, dass es so etwas wie eine Welt- und Europaöffentlichkeit gibt, sogar eine kritische und engagierte, gibt es auf diesen beiden Ebenen kaum Tendenzen, entsprechende Institutionen zu schaffen, die den Menschen auch die Mitwirkungsrechte auf der kontinentalen und globalen Ebene sichern würde.

10.
Der Diskussions- und Handlungsbedarf ist also enorm: Wo und wie fangen wir damit an?


Andreas Gross



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