18.10.2002
Tages-Anzeiger
Zürich
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Seite 7 /
Rubrik: Ausland
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Schweizer Wahlbeobachter nach Florida
Wahlprüfer in die USA
Bern. - Nach Unregelmässigkeiten beim Auszählen im Jahr 2000 nimmt eine OSZE-Delegation die Wahlen vom November in Florida unter die Lupe. Mit dabei ist SP-National- und Europarat Andreas Gross, der bald als erster Schweizer Parlamentarier vor der Uno redet. (bvr.)
Wahlbeobachter reisen für einmal nicht in ein Drittweltland, sondern in die USA. Mit dabei ist Andreas Gross, der zudem auch bald vor der Uno reden kann.
Von Bruno Vanoni, Bern
Die internationalen Wahlbeobachter, die Anfang November unter Schweizer Leitung in die USA reisen, haben sich ein pikantes Ziel für ihren Kontrollbesuch gesetzt: Sie wollen die Wahlen im Bundesstaat Florida beaufsichtigen, wo es vor zwei Jahren bei der Wahl von US-Präsident George W. Bush zu entscheidenden Unregelmässigkeiten gekommen war und wo nun sein Bruder Jeb als Gouverneur wieder gewählt werden will.
Aktiv im Sinne des Schweizer Volkes
Obwohl Florida mittlerweile Millionen in die Modernisierung der Wähl- und Zählmaschinerie gesteckt hat, droht erneut ein mangelhafter Wahlakt. Jedenfalls wurden im September nach den Vorwahlen, die den demokratischen Gouverneurskandidaten bestimmt haben, ähnliche Klagen wie nach den Präsidentenwahlen laut. Damals hatte sich sogar das russische Parlament über den Zustand der amerikanischen Demokratie «tief besorgt» erklärt und gleichsam Gegenrecht gefordert: Ausländische Experten sollten künftig nicht bloss im ehemaligen Ostblock und in Entwicklungsländern auf freie und faire Wahlen pochen, sondern auch in den USA.
Zumindest im Ansatz wird dieser Forderung nun mit der Beobachtermission nach Florida entsprochen. Geleitet wird sie vom Schweizer Diplomaten Gérard Stoudmann, der in Warschau das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODHIR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) leitet. Mit dabei sein werden neben zwei, drei westeuropäischen Experten je ein russischer und ein ukrainischer Funktionär sowie die Chefs der mazedonischen Wahlbehörde. Diese sollten nicht bloss etwas über das amerikanische Wahlsystem lernen, sagt Delegationsmitglied Andreas Gross. Mit dem Einbezug östlicher Beobachter solle demonstriert werden, dass auch an westliche Demokratien strenge Massstäbe gelegt werden. Der Zürcher SP-Nationalrat hat in den letzten zehn Jahren 21 Wahlen in 13 Ländern beobachtet und in dieser Sache auch wiederholt als Berichterstatter der parlamentarischen Versammlung des Europarates gewirkt. Als einziger Westeuropäer hat er beispielsweise im August ein Referendum in Aserbeidschan mitverfolgt und zum Leidwesen des dortigen Regimes beanstandet, was einheimische Kritiker nicht offen sagen durften, nämlich, dass es manipuliert war. Als Wahlbeobachter, sagt Andreas Gross, könne er sich auf internationaler Ebene wirksam für das Demokratieverständnis des Schweizervolkes einsetzen.
Der Europarat als Vorbild für die Uno
Zwei Wochen nach der heiklen Beobachtermission in Florida wird er als erster Schweizer Parlamentarier vor der Uno-Generalversammlung auftreten können. In der am 21. und 22. November geplanten Debatte über die Beziehungen der Uno zu regionalen Organisationen wird Andreas Gross allerdings nicht im Namen der offiziellen Schweiz sprechen. Er dürfe deren Rederecht vielmehr nutzen, um persönliche Anliegen aus seiner Sicht als Vizepräsident des Europarates vorzubringen.
Konkret will er den Europarat als Modell für die Weiterentwicklung der Uno empfehlen. Denn anders als in der heutigen Uno können im Europarat nicht nur die Regierungen, sondern auch Parlamentarier mitreden. Und anders als die Uno-Mitglieder können die Mitgliedländer des Europarates von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern eingeklagt werden, wenn sie die Menschenrechte missachten. Wenn die UNO dem Beispiel des Europarates folgen würde, sagt Gross, könnte die Demokratie globalisiert, die globalisiert Wirtschaft zivilisiert und dadurch auch der soziale Ausgleich gefördert werden.
Andreas Gross
Wahlbeobachtungen, an denen Andi Gross beteiligt war oder die er geleitet hat
Stand: November 2002
Aktueller Stand: hier klicken
Rumänien
1993 - 1994 - 1995 (im Auftrag des Bundes)
Albanien
1996 - 1997 - 1998 (im Auftrag des Eurparates)
Ukraine
1999 - 1999 - 2002 (im Auftrag des Eurparates)
Aserbaidschan
2000 - 2001 - 2002 (im Auftrag des Eurparates)
Serbien
2000 (im Auftrag des Eurparates)
Montenegro
2001 (im Auftrag des Eurparates)
Macedonien
2002 (im Auftrag des Eurparates)
Russland
2000 (im Auftrag des Eurparates)
Bosnien-Hezegowina
1999 (im Auftrag des Eurparates)
Kosowo
2002 (im Auftrag des Eurparates)
Moldawien
2001 (im Auftrag des Eurparates)
Weissrussland
2001 (im Auftrag des Eurparates)
Frankreich
2002 (im Auftrag ODHIR)
USA
2002 (im Auftrag der OSZE)
Bisher 22 Wahlbeobachtungen in 13 verschiedenen Ländern.
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