24.12.2000
Berner-Zeitung
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Weshalb B & B in ihrer Politunart ähnlich sind
Bodenmann ist in seinem Politikverständnis Blocher näher, als ihm bewusst zu sein scheint. Methodisch bedeutet «Blocherismus ohne Blocher» nichts anderes als «Bodenmann».
Wie jemand etwas sagt, ist in der Politik manchmal genau so wichtig wie das, was gesagt wird. Nonverbale Botschaften bringen manchmal mehr zum Ausdruck als das, was tatsächlich gesagt wird. Oder anders herum: Weg und Ziel müssen einander entsprechen, «Form follows function», wie der gegenwärtige Bundespräsident zu sagen pflegt, oder: der Inhalt und die Form sind zwei Ansichten eines politischen Ganzen. Wer nicht darauf achtet, macht sich politisch unglaubwürdig. So lässt sich mit Gewalt kein Frieden schaffen, genau so, wie man diktatorisch keine Demokratie aufbauen kann.
Blochers Methodik
In diesem Sinn sind bei der Beurteilung von Peter Bodenmanns Umgang mit Christoph Blocher und dessen Wortschöpfung «Blocherismus» zwei wichtige Dimensionen zu unterscheiden und getrennt voneinander zu analysieren. Die zwei Dimensionen lassen sich durch die zwei Fragen aufzeigen: Was ist die politische Kernsubstanz des «Blocherismus»? Und wie sieht seine methodische Form aus ?
Der sachliche Kern des «Blocherismus» ist nationalkonservativ und antieuropäisch und seit einigen Jahren beinahe in allen alten westeuropäischen Industriegesellschaften aufgetreten. Er überhöht die eigene Staatlichkeit, das Nationale, und verkennt bewusst oder unbewusst die politischen Folgen der Globalisierung, der wirtschaftlichen Internationalisierung und Entgrenzung. Das Besondere am politischen Phänomen Blocher ist Personaleinheit einer grossen industriellen und finanzspekulativen Potenz mit dem politischen Kristallisationspunkt.
Im Zusammenhang mit Peter Bodenmann bedeutsamer ist aber die blocheristische Methodik. Wie pflegt er zu argumentieren? Wie geht er mit Andersdenkenden, vor allem mit gleichsam nahestehenden Andersdenkenden in der eigenen Partei um? Bringt er zum Ausdruck, dass nie einer die Wahrheit gepachtet hat, sondern es immer auch die andere Ansicht braucht, um der Wahrheit näherzukommen? Reflektiert, argumentiert und entwickelt er seine Gedanken oder predigt er vor allem Glaubenssätze, die man einfach annehmen oder ablehnen kann? Gibt er manchmal zu, dass auch seine Argumentation Schwächen hat, dass man durchaus das Gleiche auch etwas anders sehen kann und dass die jeweils andere Position durchaus auch gute Argumente für sich geltend machen kann? Will er bloss Applaus und Zustimmung und Gefolgschaft, oder erlaubt er dem Leser oder der Zuhörerin ein besseres Verständnis der eigenen Situation?
Fakten werden Mythen
Bodenmanns BZ-Artikel (siehe Ausgabe vom 3. Januar) ist ein vorzügliches Beispiel für seine blocheristische Methodik. Wie Blocher aus Mythen Fakten machen will, macht Bodenmann aus Fakten Mythen. Gewiss ist beiden eine Aussage eigen. Doch sowohl Mythen wie Fakten sprechen nie für sich selber. Sie müssen von verschiedener Seite beleuchtet, hinterfragt und gegenüber anderen Faktoren gewichtet werden. Sowohl Blocher als auch Bodenmann argumentieren eindimensional und mono-kausal. Bodenmanns stakkatohaft vorgetragene Kurzsätze blenden alle anderen möglichen Interpretationen seiner «Fakten» aus, lassen keine anderen Deutungen zu. So hatte die Schweizer Wirtschaft gewiss vergleichsweise ein Wachstumsproblem; doch vieles spricht dafür, dass die Schweizer Wirtschaft auch innerhalb der EU weniger gewachsen wäre seit 1993 als die irische oder finnische. Im «Wallstreet Journal» war Ende Jahr sogar eine Tabelle mit vergleichenden Wirtschaftsperformances zu finden, in der die Schweiz im Vergleich absolut Spitze war; es wäre jetzt aber genau so falsch zu behaupten, dies sei nur möglich gewesen, weil sie nicht Mitglied der EU sei.
Europäisch verstärken
Bodenmanns Wachstumsdogmatik findet ihre Entsprechung in Blochers Souveränitätsdogmatik. Wobei Souveränität durchaus eine entscheidende Voraussetzung für Freiheit ist. Doch damit alle und nicht nur die Privilegierten frei sein können, muss die Demokratie so stark sein, dass sie die Bürgerinnen und Bürger auch gegenüber der Ökonomie souverän sein lässt. Und genau dies kann eine rein national fundierte Demokratie heute nicht mehr leisten. Genau deshalb muss sie europäisch verstärkt und neu verankert werden.
Der Skandal in der schweizerischen Wirtschaft aus SP-Sicht ist nicht das fehlende Wachstum, sondern die unerreicht ungleiche Verteilung des Reichtums und der Früchte der Arbeit aller. In kaum einem anderen Land haben die vergleichsweise Ärmeren so viel weniger als die Reichen wie bei uns und sind an ihren Arbeitsplätzen so recht- und schutzlos den Launen und dem Rhythmus der Kapitalverwertung ausgeliefert.
Kein wirtschaftlicher Grund
Der entscheidende Grund, weshalb die Schweiz der EU beitreten muss, ist denn auch kein wirtschaftlicher, sondern ein politischer, was auch der besonderen politischen Sensibilität vieler Schweizer entspricht. Denn wer heute die Entmachtung der Politik und die Erosion der Demokratie, auch die direkte Demokratie, aufhalten will, kommt um die EU, das heisst die transnationale, neue Verankerung der Demokratie in einer europäischen Verfassung nicht herum. Dafür darf man die heutige Gestalt der EU aber nicht unkritisch glorifizieren, sondern muss zu deren Reformbedarf in Richtung einer föderalistischen Verfassungsgebung bestehen.
Viele, die weder der SVP noch der SP nahestehen, mag es nicht weiter stören, dass Bodenmann und Blocher (B&B) methodisch ganz ähnlich arbeiten und politisieren. Nachdenken sollten aber alle über die Frage, weshalb B&B in den 90er-Jahren das erfolgreichste Politpaar waren. Weshalb hatte ihr methodischer Simplizissmus so Hochkonjunktur, prägte und nährte die ganze Deutschschweizer TV-Polit-Darstellung und liess so viele politisch sensible, rücksichtsvolle und umsichtig denkende Menschen sich abwenden vom politischen Engagement?
Untaugliche Methoden
Erfolg heiligt nie alle Mittel. Und mit Anstand und Vernunft hat der Erfolg von B&B am
allerwenigsten zu tun. Zwar spricht einiges dafür, dass beider Vergangenheit grösser ist als ihre Zukunft.
Doch die Themen von Blocher werden die Schweiz noch mindestens zehn Jahre lang umtreiben. Deshalb möchte ich hoffen, dass viele sich bewusst werden, dass mit blocheristischen Methoden die Lernprozesse nicht möglich gemacht werden können, welche die Schweiz davor bewahren werden, ihm auf den Leim zu gehen.
Andreas Gross
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