22.09.2004
Protokoll Nationalrat
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Parlamentarische Initiative Fraktion der Schweizerischen Volkspartei
Einführung eines Behördenreferendums
Initiative parlementaire groupe de l'Union démocratique du Centre
Instauration d'un référendum administratif
03.402
Erste Phase - Première étape
Einreichungsdatum 13.03.03
Date de dépôt 13.03.03
Bericht SPK-NR 20.02.04
Rapport CIP-CN 20.02.04
Beck Serge (RL, VD), pour la commission: C'est sur la base du même contexte financier de dégradation des finances des collectivités publiques et de la Confédération en particulier que les auteurs de l'initiative ont développé leur proposition de référendum administratif. On peut d'ailleurs se demander si la traduction est correcte, et vous me pardonnerez de ne pas l'avoir relevé en commission, et s'il n'aurait pas été plus judicieux d'appeler en français cette proposition "référendum parlementaire", selon une systématique déjà employée pour qualifier les capacités du peuple d'une part, ou des cantons d'autre part, de demander un scrutin populaire sur certains objets de décision.
Le but des auteurs de l'initiative est donc de permettre à un tiers des membres de chacun des conseils de proposer et d'obtenir la soumission d'arrêtés fédéraux des chambres au scrutin populaire lorsque ces arrêtés entraînent de nouvelles dépenses uniques ou répétitives dépassant des montants fixés.
La commission a considéré dans ce cas que le Parlement doit assurer pleinement les compétences qui lui sont attribuées dans le cadre de notre démocratie de délégation et ne pas instituer des blocages minoritaires dans la procédure législative. Ce sont ces potentiels de blocage qui distinguent le référendum parlementaire - appelé ici administratif - du référendum financier dont nous avons parlé tout à l'heure, qui est basé sur des critères objectifs, en l'occurrence l'importance d'une somme engagée, et non pas la position d'un groupe du Parlement.
La commission est donc foncièrement opposée à l'introduction d'un référendum qui pourrait être organisé à la demande des autorités et non d'un certain nombre d'électeurs. Selon elle, le principal point fort du système suisse réside dans la pratique de la démocratie directe: ce ne sont pas les autorités, ni surtout une minorité d'entre elles, qui décident si le peuple doit être consulté ou non, mais une partie du peuple lui-même. Par conséquent, aucune minorité parlementaire ne doit être habilitée à réclamer la tenue d'un référendum sur un arrêté à caractère financier.
Par ailleurs, l'introduction d'un tel référendum pourrait avoir des conséquences négatives sur le processus de décision parlementaire. Pour s'imposer, certains groupes parlementaires pourraient en effet être tentés de recourir au référendum plutôt que de participer à la recherche d'une solution consensuelle, ce qui est l'essence même de notre Parlement.
L'Assemblée fédérale est censée prendre des décisions, et non faire arbitrer ses dissensions internes par le peuple. Si le Parlement se contentait de présenter les avis de sa majorité ou de ses minorités, il ne jouerait plus son rôle dans le processus décisionnel politique. L'adoption d'une telle procédure législative permettrait finalement au Parlement de fuir ses responsabilités. Ce système permettrait une multiplication des blocages de la part d'une minorité du Parlement qui, par une tactique de harcèlement, multiplierait les référendums populaires.
On peut d'ailleurs s'étonner qu'un parti, qui a toujours défendu la nécessité d'un Parlement fort, initie une proposition porteuse d'un fort potentiel de blocages institutionnels.
C'est pour ces raisons que votre commission, si elle a donné suite au référendum financier par une étroite majorité, s'oppose fermement au référendum parlementaire ou administratif laissé au bon vouloir d'une minorité du Parlement.
Par 15 voix contre 7, la commission vous propose de ne pas donner suite à cette initiative.
Gross Andreas (S, ZH), für die Kommission: Als Erstes möchte ich ebenfalls betonen, dass es hier nicht um bessere und weniger gute Kommissionshälften geht. Vielmehr beantragt Ihnen die Kommission mit 15 zu 7 Stimmen, dieser parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Als Zweites möchte ich dem welschen Kommissionssprecher, Kollege Beck, völlig Recht geben: Auf Französisch sollte es nicht administratives Referendum, sondern ebenfalls Behördenreferendum heissen. Richtig wäre also eine Formulierung mit "parlementaire" oder mit dem Ausdruck "Behörden" - ich kenne die richtige Übersetzung für "Behörden" nicht. Denn ein Verwaltungsreferendum hat es einmal gegeben, und es gibt eine Diskussion darüber, ob man das nicht wieder machen könnte. Es wäre für genau jene Ausgabenbeschlüsse, die keine Gesetzesänderungen brauchen, wie z. B. die Ausgabenbeschlüsse für die Atomkraftwerke damals. Gegen diese Beschlüsse hat man vor 1962, vor dem Erlass des Geschäftsverkehrsgesetzes, noch das Referendum ergreifen können. Das könnte man heute nicht mehr; damit man das machen könnte, müsste man das Verwaltungsreferendum einführen. Das ist etwas anderes als das, was hier zur Diskussion steht. Hier steht sozusagen ein Minderheitenrecht des Parlamentes zur Diskussion, das Recht einer Minderheit - im Kanton Zürich ist es ein Drittel oder ein Viertel des Parlamentes -, ihrerseits den Beschluss des Parlamentes zur Abstimmung zu bringen, ihn also dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten, nicht hingegen, ihn dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Man versucht jetzt, dies aus dem Kanton Zürich zu importieren, und verkennt dabei zwei ganz wichtige Sachen: Im Kanton Zürich hat man sich bei der Ausgestaltung der direkten Demokratie sehr stark an die Figur der Versammlungsdemokratie angenähert. Man hat versucht, alle Rechte des Bürgers in der Versammlung auf das parlamentarische System zu übertragen. Und an einer Versammlung kann natürlich immer ein Teil der Versammelten etwas verlangen, und diese ist hier nicht repräsentiert. Aber der grosse Unterschied ist der, dass es auf Bundesebene nie - weder 1848 noch vorher - eine nationale Versammlung gab, die entschieden hätte. Es gab immer die Tagsatzung oder das Parlament.
Von daher hat man sich auf eidgenössischer Ebene, natürlich auch wegen der Grössenordnung, von vornherein für ein parlamentarisches System entschieden, und in einem parlamentarischen System braucht es Kompromisse, das Parlament muss sich finden für einen Beschluss. Wenn von vornherein die Minderheit oder eine Minderheit davon ausgeht, dass sie das Behördenreferendum ergreift und dann sozusagen den Entscheid von vornherein ins Volk trägt, dann entzieht sie sich noch viel mehr, als das manchmal sowieso der Fall ist, der Kompromissfindungsanstrengung. Das wäre ein tödlicher, falscher Mechanismus für die parlamentarische Entscheidungsfindung, und das möchte man nicht. Wir machen uns selber kaputt, wenn wir das einführen möchten, weil dann niemand mehr gezwungen wäre, sich zu finden, zu geben und zu nehmen, einen echten Kompromiss zu finden, der alle einigermassen zufrieden stellt, weil man von vornherein hofft, mit der Mehrheit des Volkes der eigenen Position zum Durchbruch zu verhelfen.
Das möchten wir nicht, und es entspricht auch einer schlechten Tradition der direkten Demokratie, die wir in der Schweiz nie eingeführt haben, dass nämlich die Entscheidung, ob das Volk abstimmt oder nicht, nicht dem Parlament und auch nicht der Mehrheit anheim gestellt wird. Vielmehr steht klar in der Verfassung, wann wie viele Bürger das Referendum verlangen dürfen. Nicht ein Drittel oder die Hälfte oder die Mehrheit oder der Präsident sagt also, wann das Volk darf, sondern in der Verfassung heisst es, wann das Volk darf. Die ganz grosse Leistung ist, dass bei uns die Bürger eine Abstimmung verlangen dürfen, wenn niemand im Parlament es möchte, wenn die Regierung es nicht möchte. Das führt zu einem Zusammenspiel zwischen Parlament und aktiven Bürgerinnen und Bürgern, welche erst die Güte der direkten Demokratie ausmachen. Die direkte Demokratie lebt auch von einer gesunden, gut gemachten Schnittstelle zwischen Parlament und Volk. Diese Schnittstelle wäre massiv gestört, wenn man das Behördenreferendum einführen könnte, weil dann das parlamentarische Entscheidungsverfahren nicht mehr spielt; es wäre der Wurm drin. Ich bitte Sie, diesen Wurm nicht von vornherein hineinzumontieren.
Baader Caspar (V, BL): Bei diesem Behördenreferendum handelt es sich nicht um ein generelles Behördenreferendum, sondern um ein Finanz-/Behördenreferendum. Wie Sie vom Kommissionssprecher gehört haben, beantragt zwar die Staatspolitische Kommission mit 15 zu 7 Stimmen, dieser parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Dis SVP-Fraktion hält aber an dieser Initiative zur Einführung eines Finanz-/Behördenreferendums fest. Die parlamentarische Initiative ist in der Form einer allgemeinen Anregung gehalten; sie lässt damit viel Spielraum offen, damit die Kommission in der zweiten Phase eine adäquate Ausgestaltung dieses Instrumentes vornehmen kann.
Was will die Initiative? Sie will die Aufnahme einer neuen Verfassungsbestimmung - daher kann sich Herr Gross nicht auf die bisherige Verfassung berufen -, gemäss welcher auf Verlangen von je einem Drittel der Mitglieder beider Räte Beschlüsse über Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die entweder neue einmalige Ausgaben oder wiederkehrende Ausgaben nach sich ziehen, dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden, sofern sie einen noch zu bestimmenden Betrag überschreiten.
Warum wollen wir das? Der leichtfertige Umgang des Parlamentes und des Bundesrates mit den öffentlichen Finanzen ist nicht länger tragbar. Trotz Schuldenbremse und Entlastungsprogramm 2003 beschliesst das Parlament dauernd neue Ausgaben. So hat es in der letzten Session 3 Milliarden Zusatzkredite für die Neat, eine Viertelmillion für das Sekretariat der Alpenkonvention, 15 Millionen mit dem Bundesgesetz gegen Schwarzarbeit beschlossen. Der Ständerat hat 230 Millionen für Schweiz Tourismus gesprochen, 800 Millionen für die Weiterführung der Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas, 813 Millionen für das 6. EU-Rahmenprogramm für wissenschaftliche Zusammenarbeit und schliesslich noch 900 000 Franken für die Erhöhung der Spesenentschädigungen der Parlamentarier.
Mit der verlangten Einführung des Finanz-/Behördenreferendums werden die Volksrechte ausgebaut - hier habe ich eine andere Auffassung als Herr Gross. Staatliche Ausgaben und damit Schulden sind ja bekanntlich dort am tiefsten, wo sie direkt vom Volk beschlossen werden, wo das Volk mitsprechen kann. Das Volk hat den Willen zu sparen. Daher hat es auch die Schuldenbremse massiv angenommen und die Mehrwertsteuererhöhungen für die Finanzierung von AHV und IV abgelehnt.
Das Behördenreferendum kann nach unserer Vorstellung nur ergriffen werden, wenn kumulativ in beiden Räten je ein Drittel der Mitglieder einem solchen Antrag zustimmen. Daher - Herr Beck - gibt es keine Angst vor einer Blockade. Die Grössenordnung des Drittels kommt nämlich daher, dass das Quorum für dieses Behördenreferendum einerseits tiefer liegen muss als das Quorum für die Ausgabenbremse, andererseits aber so hoch anzusetzen ist, dass keine der Parteien alleine im Ständerat und im Nationalrat dieses Referendum ergreifen kann. Dies ist durch das Erfordernis der Kumulation klar sichergestellt. Wenn Sie die Realitäten anschauen, dann sehen Sie, dass keine der Parteien im Nationalrat und im Ständerat so stark ist.
Entscheidend ist auch, dass nur Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die eine neue einmalige Ausgabe und wiederkehrende Ausgaben betreffen, diesem Referendum unterstellt werden sollen. Hingegen soll es ausgeschlossen sein, gegen die jährlichen Zahlungskredite, die dann aus diesen Zahlungsrahmen resultieren, das Referendum ergreifen zu können. Die Höhe der Beträge ist in der parlamentarischen Initiative bewusst noch nicht genannt. Darüber kann sich dann die Kommission in der zweiten Phase unterhalten. Denkbar wären Kredite über 50 Millionen Franken und bei einmaligen Ausgaben Kredite über 10 Millionen Franken.
Die Argumentation der Mehrheit der Kommission ist wenig überzeugend, wenn sie sagt, dass die Stärke unserer Volksrechte darin liege, dass die Volksrechte keinen plebiszitären Charakter hätten. Das Instrument des Finanz-/Behördenreferendums hat sich nämlich in der Praxis bereits im Kanton Zürich bewährt. Herr Gross, auch der Einwand, im Parlament würde die Kompromisssuche behindert, trifft nicht zu. Wichtig ist aber, dass vor allem in finanziellen Angelegenheiten die Kompromisse auch vor dem Volk getragen und auch verantwortet werden können und dass das Parlament so politisiert, dass das Volk das auch mitträgt. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie diesem Referendum zustimmen.
Ich bitte Sie, wenn Sie keine Angst vor Volksentscheiden haben, dieser parlamentarischen Initiative Folge zu geben.
Ich habe als Initiant als auch für die Minderheit gesprochen.
Beck Serge (RL, VD), pour la commission: L'énumération de Monsieur Baader en ce qui concerne les dépenses acceptées récemment me fait penser à un épicier qui fait son inventaire. Assumer la responsabilité politique, cela n'est pas énumérer les dépenses, c'est choisir et affirmer où sont les priorités dans l'activité de l'Etat et donc dans les dépenses. Dans ce domaine, nous avons assumé nos responsabilités.
Je n'ai guère entendu les auteurs de l'initiative, au cours des récents débats financiers - à part un acharnement à vouloir des réductions de type linéaire -, fixer quelles étaient les priorités dans l'action de l'Etat, quels étaient les endroits où l'Etat devait moins dépenser, mais aussi quels étaient les endroits qui, compte tenu de réalités, nécessitaient davantage d'engagement de l'Etat. Les auteurs de l'initiative n'ont même pas eu cette clarté dans le domaine de la dégradation de la sécurité qu'ils aiment tant à évoquer sur la place publique.
Alors, soyons sérieux! Il appartient au Parlement d'exercer ses responsabilités, il lui appartient de trouver les consensus et il ne lui appartient pas de mettre en place des éléments de blocage institutionnel.
C'est la raison pour laquelle, comme la commission l'a fait par 15 voix contre 7, je vous invite à refuser cette initiative.
Baader Caspar (V, BL): Herr Beck, Ihr letzter Satz hat mich herausgefordert. Sie haben gesagt, dass es nicht darum gehe, Blockaden einzuführen. Sind Sie der Meinung, dass es als Blockade für das Parlament anzusehen ist, wenn das Volk entscheidet?
Beck Serge (RL, VD), pour la commission: Non! Monsieur Baader, nous l'avons largement dit: le blocage, ce ne serait pas le vote du peuple, ce serait la pratique au niveau du Parlement qui voudrait qu'une minorité recoure systématiquement à l'arme du référendum plutôt que de chercher des positions de consensus et de dégager une position majoritaire au niveau d'un Parlement qui assume ses responsabilités dans une démocratie de délégation.
Gross Andreas (S, ZH), für die Kommission: 1. Vielleicht darf ich dem SVP-Fraktionspräsidenten doch auch sagen, dass es interessant ist, wenn eine Minderheit, die eine parlamentarische Initiative unterstützt, darauf verzichtet, einen Minderheitsantrag zu stellen, weil sie vielleicht in der Kommission von den Argumenten so überzeugt wurde, dass sie zwar bei ihrer Meinung blieb, aber nicht als Minderheit im Rat auftreten wollte. Es steht hier nämlich nicht, dass eine Minderheit die Initiative vertreten wollte, wie das zum Beispiel vorher durchaus der Fall war.
2. Ein Finanzbehördenreferendum ist immer noch ein Behördenreferendum. Wenn Sie nicht Fleisch essen wollen, können Sie nicht sagen, es sei Kalbfleisch und deshalb weniger Fleisch. Fleisch ist Fleisch, Behördenreferendum ist Behördenreferendum! Alles, was gegen das Behördenreferendum spricht - weshalb wir es im Unterschied zum Kanton Zürich hier nie eingeführt haben -, spricht auch gegen das Finanzbehördenreferendum. Darüber können Sie nicht hinwegsehen. Es ist nicht ein leichtfertiger Umgang mit öffentlichen Geldern, welche die Mehrheit, die manchmal nicht Ihrer Meinung ist, mit Beschlüssen spricht, die Sie nicht teilen; es könnte sein, dass sie inhaltlich anderer Meinung ist als Sie. Wenn Sie inhaltlich verlieren, müssen Sie das nächste Mal inhaltlich besser argumentieren und nicht meinen, Sie könnten Tricks finden, die Ihnen eher erlauben, Ihre Meinung inhaltlich dann nach aussen zu vertreten, was Sie hier nicht machen. Sie können aber gegen die entsprechenden Gesetze Referenden ergreifen, bei denen Sie dann inhaltlich argumentieren müssen.
Sie verkennen den demagogischen Unterzug, der dieser Argumentation über die Finanzen eben eigen ist. Sie glauben, mit hohen Zahlen den Leuten eher Angst machen zu können. Das sagen Sie eben in einer Zeit, Herr Baader, wo Sie die Verantwortung für angstmacherische Kampagnen tragen! Sie tragen auch die Verantwortung dafür, dass sich nicht alle vorstellen können, sich gleich gut Gehör verschaffen zu können. Sie glauben, Sie könnten heute die öffentliche Diskussion dominieren. Deshalb glauben Sie, noch mehr in die öffentliche Diskussion tragen zu müssen. Wenn Sie gewillt sind, Chancengleichheit in der öffentlichen Diskussion herzustellen, können Sie vielleicht eher wieder Leute von mehr öffentlicher Diskussion überzeugen. Aber so, wie die öffentliche Diskussion in der Schweiz heute passiert, haben nicht alle das Gefühl, die gleichen Möglichkeiten zu haben, sich öffentlich Gehör zu verschaffen.
Das möchte ich Ihnen auch einmal zu bedenken geben. Es hat niemand Angst vor Volksentscheiden, aber es ist zuzugeben, dass heute Leute zunehmend Angst haben, dass sie ihrer Meinung nicht mehr Gehör verschaffen können, weil die Spiesse in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gleich lang sind. Das gilt nicht für die SP und auch nicht für die SVP, aber das gilt für andere. Deshalb sind wir schon lange dabei, hier eher Chancengleichheit einzurichten, damit wir alle wieder auf die direkte Demokratie rekurrieren können.
Darum geht es aber nicht; hier geht es darum, ein Behördenreferendum, welches auf die Finanzen spezifiziert ist, in eine Verfassung mit einer hundertfünfzigjährigen Tradition einzuführen, die eben die direkte Demokratie nicht mit der parlamentarischen Demokratie vermischt. Die Verfassung gestaltet die Schnittstelle heute in der Art, dass darin geschrieben steht, wann Bürger Unterschriften sammeln können, um parlamentarische Entscheide vors Volk zu bringen, und nicht, wann eine Minderheit aus dem Parlament ihrerseits einfach so einen Volksentscheid herbeiführen kann. Das ist ein Unterschied! Ich darf so argumentieren, weil das eine Tradition ist, die in der Verfassung seit mehr als hundert Jahren enthalten ist. Ihren Vorschlag könnte man neu einbauen, er widerspricht aber dieser Tradition. Diese Tradition ist nicht einfach zufällig entstanden, sondern man wusste um die Diffizilität der Ausgestaltung dieser Schnittstelle zwischen Parlament und Volk, und man weiss, dass eine direkte Demokratie auf eine gut funktionierende indirekte Demokratie angewiesen ist. Herr Fehr sagt immer, man dürfe die beiden Sachen nicht vermischen. Mit diesem Vorstoss würden Sie aber genau das tun! Sie tun das nur, weil Sie sich davon erhoffen, dass dann die Entscheide eher so sind, wie Sie glauben, es sei richtig, wovon die Mehrheit aber bisher nicht überzeugt werden konnte. Das ist der Punkt!
Ich möchte Sie bitten, hier der Kommission zu folgen, die Ihnen mit 15 zu 7 Stimmen beantragt, kein Finanz-/Behördenreferendum einzuführen, wie sie auch kein Behördenreferendum einführen möchte.
Baader Caspar (V, BL): Herr Gross, erste Tatsache ist, dass bei den Bundesfinanzen die Ausgaben von Jahr zu Jahr massiv zunehmen. Zweite Tatsache ist, dass Sie vom Volk gewählt worden sind und dass wir vom Volk gewählt worden sind und dass das Volk zur Schuldenbremse Ja gesagt hat. Das Volk will dieses Ausgabenwachstum nicht. Jetzt haben wir ein Parlament, das sich nicht darum kümmert. Deshalb ist es mehr als legitim, dass das Volk ein Mitspracherecht bekommt, auch wenn eine Meinung hier nur von einer Minderheit vertreten wird. Wehren Sie sich tatsächlich gegen dieses Mitspracherecht des Volkes?
Gross Andreas (S, ZH), für die Kommission: Ich habe versucht, Ihnen zu zeigen, dass das Mitspracherecht des Volkes nicht infrage gestellt ist. Es hat insofern ein Mitspracherecht, als es das nächste Mal andere Parlamentarier als uns zwei in den Rat schicken kann. Es hat auch ein Mitspracherecht in Bezug auf die Gesetze und die Verfassung, auf denen praktisch jede Ausgabe beruht.
Tatsache ist auch, dass das Volk immer wieder Abstimmungsergebnisse erzielt hat, die sich auf die Ausgaben auswirken, die Sie nicht begrüssen. Es ist eine Eigenheit von Populisten, dass sie immer zu wissen glauben, was das Volk denkt. Sie haben vor dem Volk schon genauso viele Abstimmungen verloren wie wir. Es gibt nicht ein Volk, es gibt verschiedene Teile des Volkes, und es gibt immer wieder Teile, die Mehrheit des Volkes, die eine Ausgabe begrüssen, die Sie nicht wollen. Ich möchte die Abstimmung über die Sozialausgaben in Erinnerung rufen, über die Arbeitslosenversicherung, bei denen Sie verloren haben, über die Mutterschaftsversicherung, die Sie nächste Woche vielleicht verlieren werden. Es gibt nicht nur ein SVP-Volk, es gibt glücklicherweise ein Schweizervolk; darin hat das SVP-Volk Platz, aber es ist nicht der dominierende, allein selig machende Teil dieses Volkes. (Beifall)
Präsident (Binder Max, Präsident): Ich möchte dem Berichterstatter nur sagen, dass es hier um das Volk geht und nicht um Teile des Volkes.
In einem Punkt möchte ich ihm aber Recht geben: Bitte seien Sie etwas vorsichtiger und etwas übersichtlicher im Stellen von Minderheitsanträgen. In Zukunft werden wir Minderheitsanträge nicht mehr anerkennen, wenn sie erst hier gestellt werden. Das gilt für alle.
Die Kommission beantragt mit 15 zu 7 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben.
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