13. Nov. 2016
albinfo.ch
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Ein Makedonien der Bürgerinnen und Bürger oder ein ethnisch geteiltes Makedonien
Es war eine seltene Gelegenheit, welche die Diskussion am von albinfo.ch organisierten Podium in Bern bot und an der die Hauptkandidaten der makedonischen Opposition teilnahmen, Ziadin Sela, Bürgermeister von Struga und Präsident der Reformbewegung des albanischen Blocks von Makedonien (LR-PDSH), und Zoran Zaev, Bürgermeister von Strumnica und Präsident der makedonischen Sozialdemokraten. Dem Anlass kommt das Verdienst zu, die Vertreter der beiden Oppositionslager an ein und demselben Tisch zusammengebracht zu haben, um ihre Sicht auf das politische Führungssystem dieses Landes, aber auch auf die Zukunft Makedoniens darzulegen.
Von Blerim Shaban
Die Diskussion von vergangenem Sonntag in Bern, von der Plattform albinfo.ch organisiert, drehte sich um die Wahlen in Makedonien und des Verhältnis zwischen dem Land und seiner Diaspora. Eingangs stellte der Leiter von albinfo.ch, Bashkim Iseni, die Aufgabe seiner Plattform als Brücke zwischen den albanischsprachigen Diasporagruppen in der Schweiz und den Balkanländern, aus denen sie stammen, vor. Iseni hob die Tatsache hervor, dass es das erste Mal sei, dass eine Plattform zwei hohen politischen Verantwortlichen und Vertretern zweier Oppositionslager, die zudem zwei verschiedenen ethnischen Gruppen angehören, eine Tribüne biete, um ihre je eigenen Perspektiven zu den Wahlen in Makedonien, aber auch zur allgemeinen Situation des Landes und seiner Zukunft zum Ausdruck zu bringen.
Im Verlauf der Vorstellung der beiden Gäste aus Makedonien erfuhr das Publikum, dass albinfo.ch eine Gesprächsreihe mit hohen politischen Persönlichkeiten, die eine reale Alternative zu der sich in Skopje an der Macht befindlichen politischen Klasse verkörperten, gestalte. Die Alternative bezieht sich auf die Tatsache, dass es Zoran Zaevs Ziel ist, das ethnische Modell hinter sich zu lassen und auf die Schaffung eines zivilgesellschaftlichen Modells zu setzen. Von Iseni vorgestellt wurde auch Ziadin Sela, als Politiker an der Spitze einer albanischen Koalition, die die Wahlen vom 11. Dezember 2016 gewinnen möchte.
Ziadin Sela sagte, hinsichtlich der Position der hier lebenden Albaner sei die Situation in Makedonien unhaltbar. «Und dem ist nicht erst seit dem Abkommen von Ohrid bis heute so, sondern schon seit 1912. Seit jener Zeit gehört die ethnische Säuberung der Albaner in Makedonien zur Tagesordnung. Das erklärt, weshalb wir so zahlreich im Ausland leben. Eine ethnische Säuberung in wirtschaftlicher Form ist gefährlicher, denn sie vollzieht sich in einer Art und Weise, bei welcher die Albaner ohne wirtschaftliche Perspektive aufgegeben, ein politisches Chaos angeregt, den Jungen jegliche Hoffnung genommen und die kriminellen Tätigkeiten im Land begünstigt werden. Während dieser ganzen langen Epoche handelten die Vertreter der beiden ethnischen Gruppen so, als hätten sie die Lösung gefunden, was jedoch nie der Fall gewesen war», betonte er. Sela zeigte sich immerhin befriedigt darüber, festzustellen, dass zum jetzigen Zeitpunkt, am Vorabend der Wahlen, der makedonische Block sich bereit zeige, diese Probleme zu lösen. Doch, davon abgesehen, könne diese Lösung nicht im Rahmen des Abkommens von Ohrid (von 2001, die Red.) gefunden werden, denn zu einer erfolgreichen Umsetzung dieses Abkommens sei es trotz aller erdenklichen Zeit nicht gekommen.
Zudem, fügte er bei, sollte der Status der Albaner in Makedonien in erster Linie durch die Albaner selbst geregelt werden. Sela unterliess es auch nicht zu betonen, dass durch die Regelung des Status der albanischen Bevölkerung in Makedonien gleichzeitig dem Ziel der internationalen Freunde entsprochen werde, nämlich der Stabilität des Landes. «Wir sind für die Stabilität, aber nicht für eine Stabilität um jeden Preis, wie das bis jetzt geschehen ist.»
Ziadin Zela beglückwünschte Zoran Zaev dazu, die abgehörten Telefongespräche aufgedeckt und viele makedonische politische Skandale publik gemacht zu haben. Davon abgesehen erklärte Sela: «Herr Zaev hätte alles publizieren sollen (inklusive jene abgehörten Gespräche, die die albanischen Politiker des Landes involvieren, die Red.), was er nicht getan hat. Diesbezüglich kann von Manipulation gesprochen werden. Das Argument, andernfalls wäre eine Eskalation der Spannungen zu befürchten gewesen, wie Zaev es als Rechtfertigung vorbrachte, gilt nicht, da die Situation bereits gespannt ist.»
Zoran Zaev seinerseits bestätigte seine gegen das 'Regime' gerichtete Haltung und erinnerte dabei auch an seine Protestaktivitäten gegen die machthabenden Parteien. «Makedonien muss unabhängig seiner nationalen, religiösen und politischen Zugehörigkeiten einig sein, um Druck für den Abgang der jetzigen Regierung zu machen. Darin sind wir uns einig und ich spreche als Vertreter der makedonischen politischen Komponente, auf einer Versammlung, wo die Albaner die Mehrheit stellen. Das ist ein historischer Moment. Ich bin der erste makedonische Politiker, der sich für die Gleichheit und die Einheit einsetzt, und dies trotz der Gefahr, die Stimmen jener zu verlieren, die nicht an diese Gleichheit glauben. Ich gehe auf diese Fragen ein und es ist unwichtig, wer sich dabei angegriffen fühlt, denn ich will zum Wohl Makedoniens handeln. Als ich die berühmten Bomben (die abgehörten Telefongespräche, die Red.) publik machte, stellte ich fest, dass Geld von beiden ethnischen Lagern gestohlen worden war. Es ist ein mafiöses System, das unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit von diesem Geld profitiert. - Das Geld wurde für Denkmäler und Museen investiert, die das Land teilen, anstatt es zu einen. Und es geht noch weiter: Diese Bauten säen Zank und Streit mit unseren Nachbarn. Es ist nicht möglich, dass wir, die Makedonier, die einzigen Guten sein sollen, gegen alle anderen, die Bösen. Ich wurde gewarnt, dass meine Haltung mir schaden werde. Ich bin mir dessen bewusst, das Gegenteil jedoch würde Makedonien viel stärker treffen.»
Der Präsident des Vereins albinfo.ch, der bekannte Schweizer Politiker, ehemalige Nationalrat und Europarastabgeordnete Andreas Gross wurde am Podium als Freund und ausgezeichneter Kenner Makedoniens und der albanischen Frage vorgestellt.
«Im Verlauf der letzten zehn Jahre wurde Makedonien mehr als je zuvor geteilt und desintegriert. Wir stehen vor einem grossen Trümmerhaufen des Verhältnisses zwischen Politikern und Bürgerinnen. Die Politiker sind nicht mehr mit der Gesellschaft verbunden, das ist eine Katastrophe, die aufzeigt, dass die Demokratie nicht funktioniert. Falls diese Entwicklungen nicht aufhören sollten, dann können wir uns von der Existenz Makedoniens verabschieden», äusserte sich Andreas Gross besorgt. «Ihr müsst euch der Opposition öffnen und die Macht zwischen den ethnischen Gruppen und der Opposition aufteilen. Es braucht eine Verfassungsänderung. Dazu müsst ihr das Sprachproblem lösen. Die beiden Sprachen müssen gleich behandelt werden. Sie sollen als offizielle Sprachen funktionieren und in allen Landesteilen verwendet werden, so wie das in der Schweiz der Fall ist. Was das Abkommen von Ohrid betrifft, so ist es bereits überholt», schloss Andreas Gross.
In der anschliessenden lebhaften Diskussion äusserte das zahlreich im Saal und online anwesende Publikum seine Anliegen und stellte den Podiumsteilnehmern viele Fragen.
Kontakt mit Andreas Gross
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