24.06.2004

Protokoll CoE
Sitzungsperiode 2004
(3. Teil)
23. Sitzung

Konzentration der Macht
und der Medien in Italien


Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke, Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren,

Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten möchten sich bei Herrn Mooney für den Mut bedanken, dieses Thema anzugehen, und für die Kraft, den Widerstand auszuhalten, den diese Arbeit mit sich bringt. Die sozialdemokratische Fraktion möchte betonen, dass hier nicht Italien am Pranger steht. Vielmehr diskutieren wir ein europäisches Demokratie-Problem, und zwar aus drei Gründen.

Erstens gibt es ein strukturelles Problem, das alle unsere Gesellschaften beschäftigen muss, und das in Italien nur besonders deutlich wird: dass nämlich die Medien in unserer Wirtschaft wie eine beliebige Ware behandelt werden. In einer Demokratie sind aber die Medien viel mehr als eine Ware. Wenn sie als Ware behandelt werden, kann die Demokratie nicht mehr funktionieren, weil Medien eben mehr sein müssen als ein Geschäft.

Zweitens müssen wir diesen Fall hier deshalb vertiefen, weil er wie ein Vorbote dessen ist, was in vielen Ländern erst noch passieren könnte, bzw. in der Slowakei zum Beispiel schon passiert ist. Herr Berlusconi war nicht einfach ein reicher Mann, der Medien aufgekauft hat, sondern er ist vor zwanzig Jahren durch korrupte Verhältnisse zur Politik und zum damaligen Ministerpräsidenten erst zu dieser Medienmacht gekommen. Er hat dann durch diese Medienmacht erstens viel Geld "gescheffelt", wie man auf Deutsch sagt, und zweitens außerdem noch politische Macht erzielt. In Osteuropa, das heißt in der Ukraine, in Russland, in den kaukasischen Staaten droht nun dieselbe Gefahr, dass wirtschaftliche Macht durch Beziehungsverhältnisse zur Politik erworben wird und dann wiederum durch die wirtschaftliche Macht politische Macht erlangt wird. Dies ist in einer Demokratie unmöglich; es ist nicht demokratisch.

Drittens: In schwachen Demokratien, und vor allem in neuen, jungen Demokratien, zerstört dies das Pflänzchen der Demokratie. In Italien hat das bisher nicht zur Katastrophe geführt, weil Italien eine der stärksten Zivilgesellschaften Europas hat. Deshalb sind die Konsequenzen noch nicht schlimmer, doch in anderen Staaten würden solche Verhältnisse die Demokratie zerstören. Demokratie ist nämlich nicht nur ein Zählrahmen oder eine Einladung zur Akkumulation von Macht. Man leiht vielmehr die Macht vom Bürger, und der Bürger hat das Recht zu erwarten, dass die Macht kontrolliert werden kann. Wenn aber die Inhaber politischer Macht dieselben sind, die 90 Prozent der Medienmacht kontrollieren, dann kann die Kontrolle nicht mehr stattfinden, und diejenigen, die die Macht für die Dauer von vier Jahren an andere verliehen haben, wissen nicht, was mit ihr passiert. Das ist keine gelenkte Demokratie, das ist gar keine Demokratie mehr. Wie gesagt: ohne die Stärke der Zivilgesellschaft in Italien hätte dies noch katastrophalere Verhältnisse geschaffen, als wir sie heute schon in Italien sehen.

Die SP-Fraktion bedauert, dass in den Erläuterungen des Berichterstatters diese Sorgen und diese prinzipiellen Fragen viel deutlicher zum Ausdruck kommen als in der Resolution. Die Resolution ist vergleichsweise schwach im Verhältnis zum Inhalt der Erläuterungen. Die Resolution beschränkt sich eigentlich auf die Bitte an die Machthaber, das doch zu ändern. Wer aber zuviel Macht hat, den kann man nicht bitten, diese Macht zu teilen. Es geht uns allen gleich: in der Politik teilen wir die Macht nur, wenn wir Angst haben, sie ansonsten ganz zu verlieren. Dieser Druck existiert aber heute nicht. Wir müssen ihn erzeugen. Es ist naiv und illusionär, an die Machthaber zu appellieren, Macht abzugeben. Deshalb wird die SP-Fraktion dem Bericht zustimmen. Wir werden aber im Europarat darauf zurückkommen müssen, denn wir werden sehen, dass die Resolution in Italien nichts bewirken wird. Weil dies aber ein so gravierender Fall ist - und zwar nicht wegen des Images, sondern wegen des Beispiels, das Italien für junge Demokratien abgibt - werden wir im Europarat darauf zurückkommen müssen. Die SP-Fraktion wird die Methode finden, wie dies am nützlichsten geschehen kann.

Andreas Gross



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