25.06.2004

Protokoll CoE

Zur Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für die Erhaltung der Ressource Wasser

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke, Frau Präsidentin.

Die Sozialdemokratische Fraktion möchte Herrn Toshev und Herrn Velikov für das Engagement danken, das sie in dieser Sache an den Tag legen. Sie sollten nicht traurig darüber sein, dass ihr Bericht am Freitagmorgen behandelt wird. Es sagt nichts über die Bedeutung ihrer Sache aus. Es müssen immer wieder auch Dinge am Freitagmorgen passieren.

Herr Toshev hat ganz Recht, wenn er betont, dass heutzutage nur jeder achte Mensch sauberes Wasser hat, und nur jeder vierte über eine hygienische Abwasserversorgung verfügt. Gleichzeitig aber sind über dreihundert Flüsse grenzüberschreitend. Es gibt also kaum ein Fluss- oder Gewässersystem, das nicht grenzüberschreitend ist. In diesem Sinne ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine absolute Notwendigkeit und die Voraussetzung dafür, hier dafür zu sorgen, dass mehr Menschen frisches Wasser und eine Abwasserversorgung bekommen, und dass vor allem in Zukunft nicht noch eher des Wassers wegen Krieg geführt wird als des Öls wegen. Dies ist nämlich eine große Gefahr, die wir verhindern sollten.

Es ist sehr schwer, die Natur zum Vorbild zu nehmen für die Politik. Das wird gern getan, ist aber sehr gefährlich, weil die Natur in sich selbst nämlich sehr brutal ist. Es ist das Wesen der Politik und der Kultur, Konflikte zu zivilisieren und sie eben nicht so brutal auszutragen, wie die Natur das tut. Aber in dieser Beziehung können wir uns die Natur zum Vorbild nehmen. Die Natur zeigt uns, dass Staaten künstliche Produkte sind, von Menschen gemacht und daher auch von Menschen beeinflussbar. Sie zeigt uns aber auch, dass die Staaten die Natur in dem Sinne berücksichtigen müssen, dass die Lebensgrundlagen dann, wenn verschiedene Staaten gleichzeitig betroffen sind, von den Staaten miteinander verwaltet und berücksichtigt werden müssen.

In diesem Hinblick gibt es ein wunderschönes Beispiel, im Guten wie im Schlechten, nämlich den Rhein in Straßburg, der Stadt, in der wir uns heute befinden, der Rhein, an dem wir leben. Der Rhein ist etwa 1 400 Kilometer lang, und heute leben etwa 250 Millionen Menschen in über acht Ländern an seinem Verlauf. 20 Millionen beziehen sozusagen ihr tägliches Wasser aus aufgearbeitetem Rheinwasser. Vor dreihundert Jahren war der Rhein ein total sauberer Fluss. Symbol für sauberes Wasser ist immer schon der Lachs gewesen. Der Lachs ist einer der sensibelsten Fische. Wenn die Wasserqualität schlecht ist, verschwindet der Lachs. Im 18. Jahrhundert hatten die Dienstboten noch Verträge, in denen es hieß, sie dürften nur zweimal in der Woche Lachs bekommen. Lachs war das Essen der armen Leute, und es gab sogar Verträge, in denen die Armen vor zuviel Lachs geschützt wurden. 1958 ist der Lachs vollständig aus dem Rhein verschwunden. Der Rhein war total kaputt, obwohl - und das ist das Interessante - die Zusammenarbeit am Rhein vor mehr als hundert Jahren der erste Schritt zu einer europäischen Zusammenarbeit war. Die Autorität, welche über diese Zusammenarbeit wachte, befand sich in Straßburg. Dieses Gebäude gibt es, glaube ich, heute noch. Interessant ist, dass trotz dieser Zusammenarbeit zwei Weltkriege sowie Umweltkatastrophen stattgefunden haben.

Daraus kann man lernen, was schief gelaufen, aber auch, was gelungen ist. Seit der letzten Katastrophe im Jahre 1986, als einer Schweizer Chemiefirma 30 000 Tonnen Pestizide in den Rhein flossen und das gesamte Ökosystem zerstörten, hat man nämlich über 50 Milliarden Franken investiert, um den Rhein wieder sauber zu machen und damit die Menschen wieder Trinkwasser aus dem Rhein beziehen können. Außerdem kann man heute im Elsass wieder Lachs fischen. 50 Milliarden Franken für 55 Millionen Menschen, die am Verlauf des Rheins leben, sind auch ein Beweis für die Kosten sauberen Wassers, obwohl natürlich nicht an allen Flüssen so viele Chemiewerke und Atomkraftwerke angesiedelt sind, die so viel zerstören.

Dies zeigt, dass man erstens zusammenarbeiten und Katastrophen verhindern muss, und es zeigt, dass Geld nötig ist. Da aber in vielen dieser Länder die Leute arm sind, brauchen wir internationale Investitionen, weil die Armen selbst diese Gelder nicht aufbringen können. Ich bin deshalb sehr froh, dass Herr Toshev dies in seinem Bericht zum Ausdruck bringt. Meines Erachtens sollte man zum Beispiel die Europäische Bank für Wiederaufbau dazu bringen, dann Geld zu geben, wenn die Länder bereit sind, zusammenzuarbeiten. Es könnte zum Beispiel auch im Kaukasus möglich sein, dass die Länder sich die Natur zum Anlass nehmen, ihre politischen Schwierigkeiten zu überwinden.

Andreas Gross



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