26. Jan. 2015

Protokoll ER
02. Sitzung
Montag, 26.01.2015
15.00 Uhr (Dok. 13654)

Was wir in Tunesien erlebt haben,
war ausgesprochen erfreulich



Danke, Frau Präsidentin!

Ich hatte das Vergnügen, eine kleine, aber feine Delegation zu präsidieren, die sich zur Beobachtung der tunesischen Parlamentswahlen im Oktober und zum zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vor Weihnachten in Tunesien aufhielt. Die Bilanz des zweiten Wahlgangs finden Sie im Bericht des Kollegen Bockel.

Was wir in Tunesien erlebt haben, war ausgesprochen erfreulich. Wir konnten dort dem Ende der Transition einer erfolgreichen Revolution beiwohnen. Die Tunesier organisierten im Oktober die ersten freien Wahlen in ihrer Geschichte. Der Ablauf dieser Wahlen war demokratisch, hoch qualifiziert, würdig und diszipliniert, sodass das Land heute ein Parlament mit der höchstmöglichen Legitimation besitzt. Das Gleiche gilt auch für die Präsidentschaftswahlen.

Zum 4. Geburtstag ihrer Revolution haben sich die Tunesier damit sozusagen das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht. Tunesien ist damit bisher das einzige Land des Arabischen Frühlings, in dem dieser Prozess erfolgreich war. Wir haben den Arabischen Frühling immer mit dem Prozess des Völkerfrühlings in Europa von 1848 verglichen, bei dem auch nicht sofort alles gelang. Doch Tunesien war hier erfolgreich, und zwar dank einer engagierten Zivilgesellschaft, kompromissbereiter Hauptgruppen (auch der vom Islam inspirierten Partei), und der verantwortungsvollen Art, in der erfahrene Persönlichkeiten Kommissionen geleitet haben, welche die Macht der Straße in politisch legitimierte Institutionen umgewandelt haben – sowohl Parlament als auch Präsident.

Selbstverständlich kann alles immer noch weiter verbessert werden. Unter § 55 haben wir drei Punkte aufgezeigt, bei denen Verbesserungen notwendig sind: Es gilt, die Wahllisten zu verbessern, die Finanzierung der Kampagne transparenter zu machen und mehr öffentliche Debatten zu organisieren, um auch jene zur Teilnahme zu motivieren, die dem politischen Prozess nicht viel zutrauen. Das ist heute vielleicht die größte Verantwortung dieses demokratisch legitimierten Parlaments und des Präsidenten: Rahmenbedingungen zu schaffen für die wirtschaftliche Entwicklung, damit auch jene enttäuschten jungen Leute, die die Revolution ausgelöst, aber an ihrer demokratischen Konsolidierung z.T. nicht teilgenommen haben, sich wieder einbringen können und in die Gestaltung ihrer Gesellschaft miteinbezogen werden.

Vielen Dank.


Kontakt mit Andreas Gross



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