22. Dez. 2012
Tageswoche
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Basler Kantonalbank setzt NGO vor die Tür
Die in Basel ansässige NGO Haqq & Adalet machte Korruptionsfälle rund um den aserbaidschanischen Ölkonzern Socar publik. Wenig später löste die Basler Kantonalbank die Konten der NGO auf.
Von Renato Beck
Gabil Rzayev hat ein Problem, und über Probleme lässt sich besser sprechen bei einem Glas Tee. Rzayev geht zum Samowar, der einzigen Einrichtung, die das karge Büro auf dem Dreispitz etwas wohnlich erscheinen lässt. Sonst stehen da ein paar nackte Schreibtische, hängen an der Wand drei Fahnen, jene der Schweiz, der EU und Aserbaidschans.
In diesem unscheinbaren Büro wird eine grosse Aufgabe vorangetrieben. Rzayevs NGO Haqq & Adalet, zu Deutsch Recht und Gerechtigkeit, will den demokratischen Wandel in Aserbaidschan vorantreiben. Die Nichtregierungsorganisation macht Menschenrechtsverletzungen unter dem Aliyev-Regime öffentlich und deckt Korruptionsfälle auf. Haqq & Adalet versteht sich als Schnittstelle der Opposition. In Zusammenarbeit mit EU-Stellen sollen im Frühsommer Konferenzen abgehalten werden, in denen über die Post-Aliyev-Zeit diskutiert wird.
Kurz: Die im November 2011 in Basel gegründete NGO hat einiges am Laufen. Wäre da nicht ein Problem. Die Basler Kantonalbank (BKB) teilte Rzayev am 5. Dezember 2012 mit, dass sie entschieden habe, die Geschäftsbeziehungen und damit die Spendenkonten «mit sofortiger Wirkung zu kündigen».
Politischer Flüchtling
«Was ist bloss los?», fragt Rzayev beim Tee. «Ich dachte, die Schweiz sei ein Rechtsstaat. Das solche Dinge hier möglich sind, verstehe ich nicht.» Die unmittelbaren Folgen des Entscheids: Spenden können bis auf Weiteres nicht überwiesen werden. Gravierender aber ist für Rzayev, dass die Kontoauflösung den Eindruck erwecke, bei Haqq & Adalet würde nicht alles rechtens zu und her gehen. «Unser Ruf wurde beschädigt», sagt Rzayev. Der studierte Ökonom sass in Aserbaidschan wegen seiner oppositionellen Tätigkeit mehrfach im Gefängnis. Nach der manipulierten Präsidentschaftswahl 2003 kam er als politischer Flüchtling aus Aserbaidschan nach Basel.
SP-Nationalrat Andreas Gross half damals mit, dass Rzayev in die Schweiz kommen kann, er kennt ihn seit vielen Jahren. Gross ist Berichterstatter des Europarates zu Aserbaidschan. Haqq & Adalet sei eine kleine Gruppierung, sagt Gross, aber seriös: «In Aserbaidschan hat es mehr NGOs als Aktivisten.» Auch deshalb könne er die heftige Reaktion auf die Arbeit der NGO nicht nachvollziehen, sagt Gross.
Verstanden hat es auch Rzayev nicht. Also fragte er bei der BKB nach den Gründen für die Kontoauflösung nach. Die Antwort: Die BKB könne aufgrund ihrer Allgemeinen Geschäftsbestimmungen jede Geschäftsbeziehung ohne Angabe von Gründen auflösen. Auf Nachfrage erklärte die Bank vage, es gehe um ihre Reputation.
Firmengeflecht in der Schweiz
Eine Vermutung hat Rzayev, was die Gründe sind. Am 17. November 2012, also gut zwei Wochen vor der Auflösung der Konten, hielt er mit einigen Getreuen in Genf eine Demonstration vor dem Firmensitz von Socar ab. Der staatliche aserbaidschanische Erdöl- und Gaskonzern Socar wickelt über ein Firmengeflecht in der Schweiz sein Exportgeschäft ab. Die Einnahmen daraus finanzieren geschätzte 95 Prozent des Staatshaushalts, der 18 Milliarden Dollar im Jahr beträgt.
Die Firma hat einen schlechten Ruf: Transpareny International setzte Socar 2011 auf den letzten Platz seines Korruptionsindexes bei einer Untersuchung von 44 Öl- und Gasunternehmen. Das Mutterland Aserbaidschan liegt im globalen Korruptionsranking auf Platz 143 von 182 erfassten Staaten.
Socar ist auch in der Schweiz gut im Geschäft. Im November 2011 übernahm der Konzern die Schweizer Esso-Tankstellen. In den kommenden Monaten sollen diese auf Socar umgetauft werden. Partner ist die Migros, die den Zuschlag erhalten hat, die Shops in den Tankstellen zu betreiben. Socar sponsert auch das Montreux-Jazzfestival – obwohl der Deal öffentliche Kritik nach sich zog. Die aserbaidschanische Staatsbank Pasha arbeitet zudem eng mit der Genfer Kantonalbank im Bereich Vermögensverwaltung zusammen.
Offshore-Geschäfte
Haqq & Adalet kritisierte an dieser Demonstration das Geschäftsmodell von Socar. Quellen für die Untersuchung sind laut Rzayev unzufriedene Mitglieder des aserbaidschanischen Beamtenapparats, die ihn regelmässig mit Informationen versorgen. Das System soll gemäss Rzayev wie folgt funktionieren: Socar verkauft das Öl in der Schweiz an Tochterfirmen zu einem verbilligten Preis. Diese veräussern das Öl wiederum unter Wert an Offshore-Firmen, die zu Socar gehören sollen. Von dort aus gelangt das Öl auf den Weltmarkt zu normalen Preisen. Die Differenz aus diesem Geschäft soll an das Regime und dessen Günstlinge gehen. Socar weist diese Darstellung zurück. Rzayev kündigt an, in Bälde seine Untersuchungsergebnisse im Rahmen einer Anzeige der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Am Tag nach dem Protest klingeln bei Rzayev und seinen Mitarbeitern, darunter der als Berater fungierende promovierte Basler Philosoph Alec Schaerer, die Telefone. Von anonymen oder gefälschten Telefonnummern aus – eine Nummer gehört zur Genfer Tageszeitung Tribune de Genève – wurden Drohungen vorgebracht. Die Gespräche wurden in Protokollen festgehalten. Haqq & Adalet solle die Finger von Socar lassen und alle Berichte von der eigenen Website entfernen, sonst hätte das Folgen, etwa die Auflösung der Schweizer Konten und die Streichung aus dem Handelsregister. Seither werden die Oppositionellen fast täglich mit anonymen Anrufen belästigt.
Offene Fragen
Hat die BKB die Aufforderung erhalten, die Konten der NGO zu schliessen? Wenn ja, von wem? Sprecher Michael Buess lässt die Fragen offen, er sagt bloss: «Die BKB verzichtet auf die Kommentierung einzelner Kundenbeziehungen. Die Bank behält sich generell das Recht vor, einzelne Kundenbeziehungen aus geschäftspolitischen Gründen aufzulösen.» Unbeantwortet lässt die BKB auch die Frage, ob die Bank Geschäftsbeziehungen mit Socar oder der Pasha-Bank unterhält - oder ob die Genfer Kantonalbank interveniert hat.
Kontakt mit Andreas Gross
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