30. Jan. 2013
Protokoll CoE
Dok. 13107
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Mali: Es reicht nicht, die Situation
vor dem Vorstoss der Islamisten wiederherzustellen
Dringlichkeitsdebatte –
Die jüngste Entwicklung in Mali und Algerien und die Bedrohung für Sicherheit und Menschenrechte im Mittelmeerraum
Andreas GROSS, Schweiz, SOC:
Danke vielmals, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Sehr wahrscheinlich stimmt es, dass dieser militärische Einsatz unvermeidbar war. Das sieht man auch daran, dass man im Süden von Mali und in der Hauptstadt gleich danach keine französischen Flaggen mehr kaufen konnte, denn alle Menschen wollten ihrer Freude und Erleichterung darüber Ausdruck geben, dass das militärische Eingreifen Frankreichs die Terroristen daran gehindert hat, das ganze Land bzw. noch weitere Gebiete zu erobern.
Aber etwas müssen wir uns bewusst machen: Auch nur die Integrität des Landes kann man nicht mit militärischen Mitteln wiederherstellen. Wir müssen politische Anstrengungen unternehmen, um wieder Frieden zu finden und nicht die Lage vor dem Eingriff, sondern mehr zu erreichen. Es reicht nicht, die Situation vor dem Vorstoss der Islamisten wiederherzustellen, denn damals waren die Bedingungen gegeben, um so viel Gewalt verschiedener Art entstehen zu lassen. Die Situation, die wir zuvor hatten, war einer der Gründe dafür, dass es so viel Terror, Elend und Kriminalität gibt.
Dazu müssen wir uns bewusst machen, wie wir über die Probleme reden: Es gibt Rebellen, die keine Terroristen sind, es gibt Kriminelle, die keine Terroristen sind, es gibt Muslime, die keine Terroristen und keine Rebellen sind, es gibt Terroristen, die keine Muslime und auch beispielsweise keine Schmuggler sind, sondern einfach grausame Menschen, die mit religiöser Motivation andere unterdrücken, es gibt aber auch Islamisten, die zwar ihre Religion mit Gewalt anderen aufdrängen wollen, aber selbst keine Terroristen sind. Wir müssen sehr viel präziser sein in der Art, wie wir über diese ganz unterschiedlichen Menschen sprechen.
Auch die Kolonialherrschaft trägt hier eine schwere Verantwortung. Schon in der Kolonialzeit wurde der Norden völlig vernachlässigt. Im ganzen Land können nur 30% der Menschen lesen und schreiben. Das ist für die Wirtschaftsentwicklung eine Katastrophe. Je schlechter es den Menschen geht, desto anfälliger sind sie für die Ideen von Kriminellen oder Terroristen.
Eine zentralistische Staatsstruktur, die erst noch von der Spitze her mit den Kriminellen zusammenarbeitet, ist unfähig, eine multigesellschaftliche Nation zu integrieren. Um die Integrität herzustellen, muss man dezentralisieren und autonome Gebiete schaffen. Hier haben wir Fehler gemacht, weil wir nicht hingeschaut haben, wie andere mit unserem Geld und unserem Handel falsch gewirtschaftet haben.
Kontakt mit Andreas Gross
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