28. Sept. 2012

Moscow Times

Russland wird mit grossem Respekt behandelt


Nikolaus von Twickel, Moscow Times

Sie haben vielleicht gehört, dass es in Mosckau heute größere Aufregung um die Aussage von Duma-Sprecher Naryschkin gab, dass er nicht zur PACE-Herbstsitzung fährt, weil er erwartet, dort russophobe Ausfälle zu hören. Können Sie vielleicht dazu etwas sagen? Was ich nicht verstehe - ist nicht Alexei Pushkov seit Mai/Juni bereits der Chef der russischen Delegation. Warum also die Aufregung um Naryshkin?

Mich überrascht diese Aufregung in Moskau ebenso. Ganz fehlt mir das Verständnis für die aggressive Verurteilung des Inhaltes meines auf dem Netz für jeden einsehbaren Berichtes durch den Vizevorsitzenden des Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten der Duma. Wir haben den Bericht in monatelanger sehr enger Diskussion mit einem der Duma-Kollegen und dem Sekretär der Delegation erarbeitet und jeden russischen Einwand besprochen. Er hat die Kollegen im Ausschuss der PACE nach einer fünfstündigen Debatte und vielen Ergänzungen im Detail derart überzeugt, dass wir erstmals in der Geschichte einen in Sachen Russland einstimmigen Ausschuss feststellen durften. Die Grundthese des Berichtes ist sehr konstruktiv und meint, Putin sollte die starke zivilgesellschaftliche Bewegung als Chance verstehen, die Reformen zu realisieren, von denen die ganze russische Gesellschaft profitieren würde. Dies wird mit grossem Respekt und faktentreu dargestellt und entwickelt.

Wenn russische Spitzenpolitiker nicht nach Strassburg kommen, weil sie eine Debatte oder Argumente einer parlamentarischen Diskussion fürchten, dann wäre dies ein dramatisches Zeichen der Schwäche, was gewiss nicht im Interesse Russlands liegen oder die angemessene Vertretung der Interessen der russischen Bürgerinnen und Bürger erleichtern würde. Das wäre eher Ausdruck einer unzulänglichen parlamentarischen Kultur, was wiederum Vorurteile einiger Kollegen bestätigen würde.

Mit Naryschkin war seit langem der Speaker der Duma als Gastredner vorgesehen für den kommenden Montag. Delegationsleiter ist tatsächlich seit Mai Puschkow, doch der hat sich um die Erarbeitung des Berichtes um keine Weise gekümmert, war abwesend als ich für Diskussionen in Moskau weilte und war auch über den Sommer nicht dabei, als wir an einzelnen Formulierungen feilten und zu dritt mit grossem gegenseitigen Respekt und mit Achtung miteinander rangen.

Ich bin schwer enttäuscht über diese einseitige Eskalation, was dem Inhalt des Berichtes und der monatelangen konstruktiven Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Verständnis, das wir dabei entwickelt haben, in so gar keiner Weise entspricht. Es ist weder im Interesse Europas noch dem zu Europa gehören Russland, wenn einige Scharfmacher in Moskau einen Konflikt vom Zaune brechen, wo kein Grund dafür besteht und niemand einen solchen suchte. Das hilft nur jenen in Moskau, welche sich von Europa abwenden, und jenen in Europa, die Russland den Rücken kehren möchten. Ich gehöre weder zu den einen noch zu den anderen und habe in diesem Geiste diesen Bericht zusammen mit meinem rumänischen Kollegen erarbeitet.


Kontakt mit Andreas Gross



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